Zweiter Anlauf für Windkraft-Entscheidung

Trierweiler · Der Ortsgemeinderat Trierweiler muss in einer Sondersitzung am 3. August erneut über die Zulassung von 180 Meter hohen Windkraftriesen auf dem Hungerberg beraten. Ein entsprechender Beschluss vom April ist ungültig. Damals hatte ein als "befangen" erklärtes Ratsmitglied während der Beratung und der Abstimmung über diesen Punkt nicht im Zuhörerbereich Platz genommen.

Trierweiler. Auf der Anhöhe Hungerberg zwischen den Trierweilerer Ortsteilen Udelfangen und Neuhaus drehen sich zurzeit vier Windräder. Ihre Höhe ist durch einen geltenden Bebauungsplan auf 100 Meter beschränkt. Der Betreiber und Investor der Anlagen will zwei alte Windmühlen abbauen und sie durch drei Exemplare der neuen Generation ersetzen, die wesentlich wirtschaftlicher seien. Angedacht sind zwei 180 Meter hohe Maschinen und eine 150 Meter hohe Anlage. Voraussetzung wäre die Aufhebung des geltenden Bebauungsplans mit der Höhenbeschränkung.
Dieses Vorhaben hatte in Triererweiler und besonders im direkt betroffenen Ortsteil Udelfangen eine lange Diskussion ausgelöst, zumal auf dem Hungerberg nicht viele kleine Anlagen durch wenige Großwindräder ersetzt werden sollten (Repowering), sondern sich dort am Ende fünf statt bisher vier Windmühlen drehen würden. Im September 2010 hatte der Gemeinderat Trierweiler bereits eine Entscheidung vertagt - man wolle erst die Rechtslage prüfen, hieß es damals.
Deutliches Nein aus Udelfangen


Der Streit ging weiter, auch unter den Juristen: Der Hungerberg sei ein Windkraft-Vorranggebiet und ein einschränkender Bebauungsplan daher nichtig, erklärte die eine Seite. "Der Bebauungsplan ist juristisch hieb- und stichfest", konterte 2010 die Gegenseite. Die Rechtslage war verworren, zumal die Gemeinde Trierweiler mit ihren 2001 aufgestellten Bebauungsplan "Windkraft Hungerberg" selbst die Weichen für ein Vorranggebiet gestellt hatte.
Der heftigste Widerstand regte sich in Udelfangen, dem unmittelbar betroffenen Ortsteil. Dort hatten sich rund 85 Prozent der befragten Einwohner gegen die neuen Großanlagen entschieden.
Unerwarteten Rückenwind erhielten die geplanten Rotorgiganten im März 2011 durch die Reaktorkatastrophe in Japan. Nun brachen auch in Trierweiler die Dämme: Der Ortsbeirat empfahl dem Gemeinderat, den Bebauungsplan "Hungerberg" aufzuheben. Ortsbürgermeister Matthias Daleiden, bis dato eher windkraftkritisch, befürchtete Schaden für die Gemeinde durch mögliche Gerichtskosten und Schadensersatzforderungen, die bei einer Blockade des Windkraftprojekts entstehen könnten.
Unter Protest zurückgezogen


In einer Gemeinderatssitzung am 28. April sollten Nägel mit Köpfen gemacht werden: Zur Entscheidung stand die Aufhebung des Bebauungsplans. Wohl noch unter dem Fukushima-Eindruck und nach dem Hinweis der Verbandsgemeindeverwaltung Trier-Land auf die besonderen Windkraftrechte in Vorrangebieten, stimmte der Rat mit großer Mehrheit für die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens. Matthias Burg, Ratsmitglied und Ortsvorsteher von Udelfangen, der ein Stück Land auf dem Hungerberg besitzt, wurde von der Beratung und der Abstimmung ausgeschlossen. Zwar protestierte Burg gegen den Ausschluss, rückte aber schließlich symbolisch vom Tisch ab. Dieses bloße Abrücken vom Tisch wegen Befangenheit, ein in den Räten übliches Verfahren, rief wiederum die Windkraftgegnerin Helma Diewald aus Trierweiler auf den Plan. Burg habe nach der Gemeindeordnung im Zuschauerbereich Platz nehmen müssen, rügte sie bei der Verbandsgemeindeverwaltung, die ihren Einwand mit Hinweis auf ein Oberverwaltungsgerichtsurteil bestätigte.
Ortsbürgermeister Daleiden setzte daraufhin den Beschluss vom 28. April aus. In einer Sondersitzung am 3. August wird sich der Rat erneut mit dem Thema befassen - wiederum ohne Ratsmitglied Burg. Daleiden spricht von "Spitzfindigkeiten und Scharmützeln". Es werde versucht, den Gemeinderat doch noch zum "Umkippen" zu bringen. Jedenfalls dürfte sich das Verfahren dadurch um Monate verzögern.
Windkraftgegnerin Diewald geht allerdings davon aus, dass die neuen Großanlagen erneut eine Mehrheit finden werden. Diewald: "Ich werde gegen diese Monstermaschinen jedenfalls alle rechtlichen Möglichkeiten - notfalls auch auf EU-Ebene - ausschöpfen."Meinung

Die große Wende in den Köpfen
Der formale Lapsus in der Trierweilerer Ratssitzung ist ein kurioser Nebenaspekt in einem verworrenen Politikum rund um die Windkraft zwischen Neuhaus und Udelfangen. Weil das als befangen eingestufte Ratsmitglied Matthias Burg bei der Abstimmung nicht vom Tisch aufstand, ist die Entscheidung gegen den bestehenden Bebauungsplan "Windkraft Hungerberg" ungültig und muss wiederholt werden. Würde der Buchstaben der Gemeindeordnung immer so eng ausgelegt, hätten schon Hunderte Beschlüsse aus Orts- und Stadträten für null und nicht erklärt werden müssen. In der Regel protestiert niemand, wenn ein befangenes Ratsmitglied vor der Entscheidung symbolisch einen halben Meter vom Tisch abrückt. In Fall von Trierweiler gab es jedoch eine findige Beobachterin, die alle Mittel ausschöpfen will, um den Hungerberg vor 180 Meter hohen Windmühlen zu bewahren. Hinter ihr stehen auch Ratsmitglied Matthias Burg, der Ortsbeirat und die große Mehrheit der Udelfangener. Sie gleichen den letzten Rufern in der Wüste gegen den Windkraftgigantismus. Dies aber nur, weil sie unmittelbar von den geplanten Riesenwindmühlen betroffen wären. Ansonsten gilt in Trierweiler wie anderswo: Nach der Fukushima-Katastrophe und dem überstürzten deutschen Atomausstieg vollzogen selbst langjährige Windkraftgegner in der Politik die 180-Grad-Wende. Ist es die plötzliche Angst vor dem atomaren Inferno? Bei vielen dürfte es eher die Angst sein, den Mund aufzumachen, seine Meinung zu sagen und von der großen Einheitslinie abzurücken. Und schließlich geht es bei der Windkraft um viel Geld. Ein ehemaliger Windkraftgegner im Hochwald brachte es jüngst auf den Punkt: "Was schert mich mein Geschwätz von gestern bei den Einnahmen für die Gemeindekasse, die wir mit unserem Windpark erwarten können." f.knopp@volksfreund.de
Extra: Windkraftpläne anderswo


Auch in der Verbandsgemeinde Ruwer hat sich der Wind gedreht: Seit 2003 sind dort nur zwei Flächen bei Waldrach und Gusterath für die Windkraft im Flächennutzungsplan ausgewiesen. Inzwischen hat das Umdenken begonnen: Allein im Osburger Hochwald sollen acht Riesenrotoren errichtet werden. Weitere Standorte in der VG sind angedacht. In seiner Sitzung am 10. August wird der Verbandsgemeinderat Ruwer über eine entsprechende Änderung des Flächennutzungsplans abstimmen. Es ist davon auszugehen, dass sich die große Mehrheit im Rat für die neuen Windkraftstandorte aussprechen wird. f.k.

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