Zwischen Mystik und Moderne

TRIER. Islamische Mystik und christliche Messe, Texte aus dem 13. Jahrhundert und zeitgenössische Musik – in der Konstantin-Basilika wurde ein Chorkonzert der Gegensätze geboten.

Der Karlsruher Chor "Coro Piccolo", unterstützt durch das Landesblasorchester Baden-Württemberg, gastierte mit einem ungewöhnlichen Programm in Trier, in dessen Mittelpunkt geistliche Werke Anton Bruckners standen. Nach drei kurzen Stücken erklang die Messe in e-moll, die wegen ihrer Orchestrierung eine Besonderheit darstellt. Da die Uraufführung im Jahr 1869 zur Einweihung der Votivkapelle des Linzer Domes auf dem Vorplatz unter freiem Himmel stattfand, unterstützte Bruckner den achtstimmigen Chor ausschließlich durch Blasinstrumente. Um in dieser Besetzung ein abendfüllendes Programm bestreiten zu können, wurde der Komponist Felix Treiber aus Karlsruhe mit einem neuen Werk beauftragt. Er füllte in seiner "Missa lyrica" die musikalische Form einer Messe mit Texten von Dschalal ad-Din Rumi, einem islamischen Mystiker des 13. Jahrhunderts. In Zeiten, in denen der Islam vor allem mit seinen fundamentalistischen Verzerrungen in Verbindung gebracht wird, ein Wagnis - das aber vom Publikum positiv aufgenommen wurde. Familie Boneberg aus Schweich etwa hatte da keine Bedenken, "ganz im Gegenteil". Wechselseitiges Verständnis und Dialog der Religionen, vielleicht sei es "gerade das, was uns am meisten fehlt." Eine andere Konzertbesucherin unterstrich, dass die Texte "nicht nur für den Islam stehen, sondern das allgemein Religiöse zum Ausdruck bringen." Große Lyrik also, die sich in Treibers Komposition aber nur bedingt entfalten konnte. Recht brav - und konventioneller als man es in einer Uraufführung erwarten durfte - wurden die einzelnen Gedichte linear arrangiert, selbst überschwängliches Gotteslob und Gefühle von Hass und Liebe fanden auf Seite der Musik Ausdruck in nur verhaltenen Klangbildern und phasenweise fast monotoner Melodieführung. So ergaben sich zwar die im Motto des Konzertes angekündigten "Klangträume" mit impressionistischem Farbenspiel, der existenzielle Gehalt der Texte allerdings geriet fast zur Nebensache. Chor und Orchester unter der Leitung von Christian-Markus Raiser erwiesen sich als stilsicher und klanglich differenziert, auch in Bruckners Messe in der revidierten Fassung von 1882. Immer wieder beginnt der Chor a cappella und setzt dann an zu einer ausgedehnten Steigerung. In deren Verlauf werden die Stimmen immer enger aneinander geführt, bis sie sich zu einem einzigen Körper verdichten - angetrieben vom Orchester mit Motiven, wie sie aus den Sinfonien des Komponisten bekannt sind. Bruckner, der Zeit seines Lebens ein tief religiöser Mensch blieb und seine letzte Sinfonie gar "dem lieben Gott" widmete, wäre ohne sein geistliches Werk nur unvollständig zu verstehen, und so ist es ein großes Verdienst aller Beteiligten, dieses selten aufgeführte Stück wieder einmal zu Gehör gebracht zu haben.

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