1000 im Internet, fünf auf der Straße

Trier · Auf wenig Resonanz gestoßen ist der Aufruf der Initiatoren der neuen Trierer Bürgerwehr zum ersten Patrouillengang durch die Stadt: Nur fünf der mittlerweile mehr als 1000 Mitglieder der Facebook-Gruppe „Tier hilft sich“ kamen zum Treffpunkt.

1000 im Internet, fünf auf der Straße
Foto: Frank Göbel

Samstagabend, 19 Uhr, Hauptbahnhof. Eine Gruppe 16- bis 17-Jähriger trollt sich rund um einen Kasten Bier. Die dunklen Mützen tief ins Gesicht gezogen, Kopfnicken, breite Brust, schwingender Gang. Ihr Anführer rempelt an, wenn er an einem vorbeigeht. Eine Machtdemonstration, wie um zu sagen: "Der Bahnhofsvorplatz gehört uns samstagabends." Aggression liegt in der Luft. "Keine Schläger, keine Waffen"

Am Treffen der Trierer Bürgerwehr, die zu ihrem ersten Spaziergang durch die Stadt aufgerufen hat (der TV berichtete), haben die Jugendlichen allerdings kein Interesse. Nach den Regeln, die die Bürgerwehr auf Handzetteln geschrieben hat, dürften die Halbstarken sich ohnehin nicht beteiligen. Denn Alkoholisierte sind nicht erwünscht bei den Pa?trouillengängen, ebenso wenig Schläger. "Wir wollen auch niemanden dabei haben, der irgendwelche Waffen dabei hat", betont Daniel Stumps, Initiator der Facebook-Gruppe "Trier hilft sich". Auf ihren Handzetteln bleiben er, seine Frau und Mitinitiator Stephan Döpgen allerdings sitzen. Außer zwei Frauen ist niemand gekommen, an die sie sie verteilen könnten. Im Internet hat die Gruppe mittlerweile mehr als 1000 Mitglieder.

"Es geht uns nicht um Gewalt oder darum, das Recht in die eigene Hand zu nehmen", sagt Stumps. "Wir wollen nur für mehr Zivilcourage werben. Dass Leute die Augen aufhalten, und wenn sie tatsächlich eine Straftat beobachten, die Polizei rufen."

Vor einigen Tagen hat Stumps einen Facebook-Eintrag der Trierer NPD mit "gefällt mir" markiert. Die rechtsradikale Partei fordert darin die "konsequente Schließung aller Asylunterkünfte in Trier und Abschiebung aller Asyltouristen." Stumps räumt die Gefällt-mir-Bekundung ein. "Aber ich habe mir das gar nicht ganz durchgelesen, ich habe nichts gegen Ausländer!", beteuert er.

Auf einem Foto im Internet trägt er einen Pullover der als rechtsradikal geltenden Marke Thor Steinar. "Das hat keine politische Bedeutung und ist zudem uralt", sagt Stumps. Wenn NPDler sich der Trier-hilft-sich-Guppe anschließen würden, hätte er nicht von vorneherein etwas dagegen. "Solange sie unsere Regeln einhalten, keine Waffen dabei haben und unsere Treffen nicht für ihre politischen Ziele missbrauchen. Hier geht es nicht um Politik, sondern darum, dass in den vergangenen Tagen in Trier viele Überfälle passiert sind und niemandem etwas aufgefallen ist - das kann doch nicht sein", sagt Stumps. Sondereinsatz für die Polizei

Tatsächlich habe es in den vergangenen Tagen eine Häufung von Überfällen in Trier gegeben, bestätigt Polizeipressesprecher Uwe Konz. Unterstützung bei der Gefahrenabwehr benötige die Polizei allerdings nicht. Für die Polizei ist das erste Treffen der Bürgerwehr ein Sondereinsatz, mehr Beamte als üblicherweise an einem Samstagabend sind im Dienst. Nicht nur, um die Bürgerwehr im Blick zu haben, sondern auch die 20 bis 30 Mitglieder der Gegengruppierung, die sich auf Facebook unter dem Namen "Trier gegen Trier hilft sich" gegründet hat (rund 620 Mitglieder) und die zum Bahnhof gekommen sind, um sich die Sache anzuschauen.

Die Polizei hat im Vorfeld das Gespräch mit der Bürgerwehr gesucht. "Wir sind eigentlich überzeugt, dass es den Organisatoren nicht um die Gründung einer militanten Gruppe geht", sagt Konz. "Offenbar wollen sie ein Zeichen für mehr Zivilcourage und Bürgerengagement setzen - und das steht ihnen zu."

Um 19.45 Uhr sind allerdings immer noch nicht mehr Bürgerwehrler zum Treffpunkt gekommen. "Aber zwei Kleingruppen von uns sind schon seit dem Nachmittag in der Stadt unterwegs", sagt Daniel Stumps. Die drei Gruppengründer und die zwei Frauen gehen los, um in Triers Straßen für mehr Sicherheit zu sorgen. Hinterher ein knappes Dutzend Journalisten, die darauf vorbereitet waren, dass dieses erste Bürgerwehrtreffen möglicherweise zu einem Massenauflauf werden könnte.

Mit größerem Abstand folgt rund ein Dutzend Leute der Gegenbewegung. Die Polizei ist mit etlichen Einsatzfahrzeugen in der Stadt präsent.

Die Bürgerwehr zieht vorbei an der Porta, durch Unterführungen, quer durch die City. Zu tun gibt es nichts für sie, alles bleibt ruhig. Gegen 21.30 Uhr müssen die beiden Frauen nach Hause, auch das Initiatoren-Trio bricht seine Patrouille ab. "Wir werden unsere Spaziergänge aber auf jeden Fall fortsetzen", kündigt Daniel Stumps an, "hoffentlich dann mit mehr Unterstützung."
Meinung

Selbst wenn die Motive der Bürgerwehrinitiatoren so naiv und friedfertig sind, wie sie angeben: Dass jemand meint, durch die Stadt patrouillieren zu müssen, um für Recht und Ordnung zu sorgen, hinterlässt das mulmige Gefühl, dass die klaren Grenzen unseres Rechtsstaats schwammig werden. Dass eine Bürgerwehr tatsächlich Straftaten verhindert, ist dabei unwahrscheinlich. Dunkle, unbeobachtete Ecken wird es immer geben. Die Gefahr, dass sich der Wehr auch solche anschließen, für die Gewalt eine Lösung ist, die mit Heldenpathos und stolz geschwellter Brust durch Trier marschieren, ist dagegen groß. Adrenalin und das Gefühl, in der Gruppe stark zu sein, könnten die Sache aus dem Ruder laufen lassen. Auch, wenn die Wehr bisher harmlos scheint, muss die Polizei sie unbedingt im Auge behalten.  c.wolff@volksfreund.de

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