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Allein auf der Flucht, aufgefangen in einer neuen Familie

Welschbillig · Für minderjährige Flüchtlinge, die ohne erwachsene Angehörige in Rheinland-Pfalz ankommen, ist das Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg oft die erste Anlaufstelle. Viele von ihnen haben unfassbare Dinge erlebt.

 Schulterschluss für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wie Ahmed, die bei Sieglinde Schmitz im Don Bosco Jugendhilfezentrum betreut werden. Marcus Hübner (rechts) und Thomas Schwab haben für sie die Benefizgala Sternstunden organisiert. TV-Foto: Anke Emmerling

Schulterschluss für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wie Ahmed, die bei Sieglinde Schmitz im Don Bosco Jugendhilfezentrum betreut werden. Marcus Hübner (rechts) und Thomas Schwab haben für sie die Benefizgala Sternstunden organisiert. TV-Foto: Anke Emmerling

Foto: Anke Emmerling (ae) ("TV-Upload Emmerling"

Welschbillig. Bereits seit 1992 kümmert sich die Jugendhilfeeinrichtung des Salesianer Ordens Don Bosco auf dem Helenenberg um die Erstaufnahme und -betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. "Wir nehmen hier ab 15-Jährige auf, die entweder von ihren Familien weggeschickt wurden, um sie zu retten, oder die auf der Flucht ihre Familien verloren haben", erklärt Einrichtungsleiterin Sieglinde Schmitz.
Gefoltert in Libyen


Viele von ihnen haben erschütternde Schicksale hinter sich, wie der 17-jährige Ahmed aus Somalia. Die militante islamistische Al-Shabaab Miliz wollte ihn als Kindersoldat rekrutieren. Er weigerte sich, lief weg, wurde gefangen, kaserniert, lief erneut weg. Sein Vater, der ebenfalls Widerstand leistete, wurde von den Milizionären angeschossen. Er verkaufte daraufhin den einzigen Besitz der Familie, Auto und Garten, um mit Ahmed und dessen jüngster Schwester zu fliehen.
In Libyen wurden sie getrennt. Ahmed kam ins Gefängnis und erlitt Folter, sein Körper ist von Narben übersät. Immerhin brachten ihn seine Peiniger ins Krankenhaus. Von dort konnte er fliehen und traf tatsächlich seine Angehörigen wieder. Sie ergatterten Plätze auf einem viel zu kleinen Boot, bei der Überfahrt übers Mittelmeer starben Vater und Schwester. Ahmed erzählt, wie verzweifelt er in Europa ankam, sich durchschlug, bis ihm jemand sagte, er sei in Deutschland.
"Für mich war es das größte Glück, zum Helenenberg zu kommen", sagt Ahmed. Hier bleiben die jungen Flüchtlinge für eine dreimonatige Clearing-phase (siehe Hintergrund).
"Wir schauen nach ihren Bedürfnissen, ob sie stationär untergebracht werden müssen oder in einer Wohngruppe leben können", sagt Sieglinde Schmitz. "Wir geben ihnen die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, und helfen ihnen bei der Bewältigung ihrer Krisen." Die Verständigungsprobleme werden, wo nötig, mit Dolmetschern gemildert. Vom ersten Tag an gibt es zudem Deutschunterricht.
Nach den drei Monaten werden die Jugendlichen auf Kommunen verteilt, wo sie längerfristig für eine Schul- oder Berufsausbildung bleiben können. Dann werden die Betten bei Don Bosco frei für die nächsten Ankömmlinge, "kalt werden sie derzeit bei uns nicht", sagt Sieglinde Schmitz. Aktuell gibt es 50 Clearingplätze in vier Gruppen, eine davon wurde erst im September neu eröffnet. "Aber das reicht nicht, wir haben einen Versorgungsengpass, das Jugendamt Trier rechnet damit, dass wir dauerhaft mindestens 100 Plätze im Jahr brauchen."

Deshalb sollen ab 1. April 2016 neue Räumlichkeiten in Trier eingerichtet werden. Der Palais e.V. Trier, der ebenfalls unbegleitete Jugendliche betreut, wird im selben Haus eine neue Wohngruppe betreiben. Die Marcus-Hübner-Stiftung unterstützt die Aktivitäten des Jugendheims mit dem Projekt Sternstunden (siehe Extra). Eine Investition in die Zukunft, finden alle Beteiligten, und auch dafür ist Ahmed ein Beispiel: Er hat einen der bislang 20 Clearing-Nachfolgeplätze am Helenenberg erhalten, das heißt, er konnte für eine Ausbildung bleiben. Nach nur eineinhalb Jahren in Deutschland kann er die Sprache, hat seinen Hauptschulabschluss gemacht und absolviert eine Lehre zum Fach-Lagerist.
Ausbildung zum Fach-Lageristen


Dabei erwirbt er nicht nur Qualifikationen, sondern auch Erkenntnisse: "Hier gibt es Respekt und Toleranz, ob Christ oder Moslem, das ist egal, wir sind alle Kollegen", sagt Ahmed: Er sei glücklich, und er habe eine neue Familie gefunden. Dafür ist er dankbar und will Deutschland in Zukunft auch etwas zurückgeben.Extra

Die Clearingphase ist die erste Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Drei Monate lang dient sie zunächst dazu, eine Grundversorgung zu gewährleisten, den Hilfebedarf festzustellen und die Umstände des Aufenthalts zu klären: Gibt es ein Asylbegehren, sind bereits Verwandte in Deutschland, weiß der DRK-Suchdienst etwas über den Verbleib auf der Flucht verschollener Familienmitglieder? Das Jugendhilfezentrum Don Bosco als Clearingstelle vermittelt in dieser Zeit auch Sprachkenntnisse, hiesige Gesundheits- und Hygiene-Standards sowie Aufklärung über gesellschaftliche Normen und Werte, zum Beispiel Toleranz gegenüber anderen Religionen und Gleichberechtigung der Geschlechter. Außerdem bietet es Hilfe bei der Bewältigung von Traumata. aeExtra

Bei der Benefizgala Sternstunden am Samstag, 10. Oktober, 20 Uhr, in der Arena Trier treten zahlreiche Künstler auf, unter anderem Thomas D. und die Leiendecker Bloas. Infos unter <%LINK auto="true" href="http://www.sternstunden-trier.de" class="more" text="www.sternstunden-trier.de"%>. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier. ae Beim 1. Trierer Spendenlauf am Sonntag, 25. Oktober, 11.30 bis 18 Uhr, können Spaziergänger und Läufer eine 700 Meter lange Runde um den Dom beliebig oft absolvieren und für den Deutschunterricht junger Flüchtlinge spenden. Infos unter <%LINK auto="true" href="http://www.trierlaeuft.de" class="more" text="www.trierlaeuft.de"%> r.n.

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