Als Feigenblatt zu schade

Man kann den Frust des Architekturbeirates verstehen. Da kommen angesehene Experten zwischen ihren Bauprojekten in Berlin, Salzburg, Dresden oder Stuttgart viermal im Jahr nach Trier, arbeiten sich in lokale Themen ein, diskutieren mit Bauherren, entwerfen Stellungnahmen, feilschen um Quadratmeter und Fensterwinkel. Aber wenn es wirklich auf ihren Rat ankommt, wenn es unbequem wird, wenn tatsächlich das Stadtbild auf dem Spiel steht - dann interessiert sich kaum einer für ihr Votum. Selbstverständlich hat der Stadtrat in letzter Konsequenz das Recht, sich über die Bedenken der Fachleute hinwegzusetzen. Aber das setzt zumindest voraus, dass er sich mit diesen Bedenken ernsthaft und gründlich beschäftigt hat. Wie kann er das, wenn das Abschlussgutachten bei den Fraktionsberatungen nicht einmal vorgelegen hat? Warum hat man den Beirat - der sogar zeitgleich anwesend war - nicht zur Diskussion in den Rat eingeladen? So bleibt der Eindruck, dass man nur ein prominentes Feigenblatt braucht, um die unübersehbaren Blößen in Sachen Trierer Stadt-Architektur notdürftig für die Galerie abzudecken. Und man gibt sich nicht einmal die Mühe, wenigstens so zu tun, als lege man Wert auf den Experten-Rat. Da dilettieren lieber Ratsmitglieder mit ihren (Un)- Kenntnissen über "anziehende Bauwerke". Wenn nicht schleunigst umgesteuert wird, ist das Instrument Architekturbeirat perdu. Und Trier hätte es, allen Kinderkrankheiten zum Trotz, bitter nötig. d.lintz@volksfreund.de

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