Am Anfang war die Schirmbodenhülse

TRIER. Mit einer überarbeiteten Satzung für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen will die Stadt Trier Wildwuchs begrenzen, aber auch Regelungen vereinfachen. Die Satzung regelt von der Terrassengastronomie über Werbeständer bis hin zu Marktständen und Straßenmusik alles, was sich auf Straßen und Plätzen abspielt.

 Passanten, Stände, Dekorationen: In den schmalen Altstadt-Gassen kollidieren die Interessen.Foto: Friedhelm Knopp

Passanten, Stände, Dekorationen: In den schmalen Altstadt-Gassen kollidieren die Interessen.Foto: Friedhelm Knopp

Angefangen hat alles mit der "Schirmbodenhülse". Die Inhaberin eines Geschäftes in der Konstantinstraße hatte den Sonnenschirm vor ihrer Tür auf eigene Kosten mit einer schicken Hülse im Boden befestigt, statt einen hässlichen Betonfuß zu nutzen. Doch die entsprechende Satzung der Stadt sah eine solche Verankerung nicht vor, das zuständige Amt verlangte die Entfernung. Der Streit beschäftigte Behörden und Gerichte über Jahre.Damals habe der Stadtvorstand beschlossen, "eine Satzung mit qualitativen Elementen zu erarbeiten", heißt es in einer Vorlage von Baudezernent Peter Dietze. Stärkere Differenzierung zwischen City und Außenbezirken, konkrete Vorgaben, mehr Transparenz, so lauten die Ziele. Dabei müssten jedoch, so Dietze, die "durchzusetzenden ästhetischen Verbesserungen mit den wirtschaftlichen Interessen und Zwängen der Gewerbetreibenden abgewogen werden".City-Initiative, Kammern und Verbände wurden in die Debatte eingebunden. Das sei "eine Art runder Tisch" gewesen, sagt Heinz Kirsch von der UBM. Es seien "gewisse Lockerungen" beschlossen worden. Sein Kollege Bruno Cordel von der SPD spricht dagegen von "gewissen Auswüchsen, denen man Einhalt geboten" habe.So unterschiedlich die Interpretation, so einhellig der Konsens, was das Ergebnis angeht. Klare Vorgaben gibt es künftig beispielsweise für Sonnenschirme. In der Altstadt sind sogar die Form und das Farbspektrum der Bespannung festgeschrieben - und das Verbot allgemeiner Werbeaufdrucke.Ein optisch attraktives Stadtbild sei auch im Sinne der Kaufleute, sagt der Vorsitzende der City-Initiative, Hans P. Schlechtriemen. Gegen den Versuch, Verkaufsstände auf der Straße völlig auszuschließen, habe man sich allerdings erfolgreich gewehrt.Nun steht in der Satzung, dass etwa eine Präsentation von Waren auf Paletten ausgeschlossen ist, grundsätzlich aber Verkaufsstände der jeweiligen Geschäfte bis zur Standlinie der Laternen zugelassen werden können.Einig war man sich darin, dass, wie Schlechtriemen es formuliert, "Ramsch auf der Straße nichts zu suchen hat" - zumindest in der unmittelbaren Fußgängerzone. So sind Freiluft-Märkte mit Neuwaren ausgeschlossen. Private Flohmärkte sind dagegen am neuen Kornmarkt möglich, aber auch die Präsentation von Waren aus der Region oder Werbe-Aktionen ohne Verkauf. Auch die Kultur soll künftig auf dem Kornmarkt ihren Platz finden.Die Freiluft-Gastronomie in der City darf nur "individuell gestaltete Bänke und Schemel" aufstellen, billige Brauerei-Garnituren sollen nicht das Stadtbild verschandeln. Wer Tische und Stühle im öffentlichen Straßenraum stapelt, muss mit Ärger rechnen.Sind die Standards in den Top-Lagen recht hoch, so erleichtert die Satzung, die der Stadtrat im Februar endgültig beschließen soll, Sondernutzungen außerhalb der Fußgängerzone und des Alleenrings. Hier wird es künftig flexibler zugehen. Auf dem Viehmarkt, wo die bisherige Satzung im Prinzip nahezu alles gestattete, will die Stadt allerdings stärker Einfluss nehmen, zum Beispiel, um parallele Konkurrenzveranstaltungen zum Messepark auf rechtlich solider Basis ablehnen zu können.Bleibt noch die Sache mit der Schirmbodenhülse. Sie, die einst verboten war, wird künftig vorgeschrieben. Wer also bislang nicht durfte, wird - nach angemessener Übergangszeit - müssen. Der Geschäftsinhaberin, die einst den Stein ins Rollen brachte, kann es egal sein: Sie hat ihren Laden inzwischen dicht gemacht.

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