Archäologie Nur die Latrine gibt keine Rätsel auf

Trier-Süd · Archäologen finden in der Trierer Saarstraße Reste eines großen Römerbaus des  vierten Jahrhunderts. Seine Funktion ist noch völlig unklar.

 Was vom Römerklo übrig blieb: Grabungsleiter Bruno Kremer mit den gefundenen Rinnsteinen. Der hölzerne Aufbau ist längst weg.

Was vom Römerklo übrig blieb: Grabungsleiter Bruno Kremer mit den gefundenen Rinnsteinen. Der hölzerne Aufbau ist längst weg.

Foto: TV/Roland Morgen

Für den Laien sieht es nach „irgendwas wie Wasserleitung“ aus. „Nicht schlecht“, bestätigt Bruno Kremer (52) und lässt die versammelte Journalistenschar noch ein wenig zappeln. Als keine besseren Deutungsversuche folgen, klärt er auf: „Das sind zwei Rinnsteine aus Jurakalkstein. Das Besondere daran: „Sie sind der erste klare Nachweis einer Latrinenanlage in einem Wohnhaus im römischen Trier.“ Womit die Klarheiten zu den römischen Befunden der von Kremer geleiteten archäologischen Grabungen auf dem Grundstück Saarstraße 4 (direkt neben dem Hotel Deutscher Hof) auch schon weitgehend ausgeschöpft sind. Um so spannender ist das, was die Forscher des Rheinischen Landesmuseums noch nicht deuten können.

Das typische Gewirr römischer Mauerzüge in der 500 Quadratmeter großen Grube lässt drei antike Phasen erkennen. Es dominieren Mauern mit einer Stärke von bis zu anderthalb Metern. Daraus lässt sich schließen, wie hoch das Gebäude einst gewesen ist. „Sicherlich drei- bis viergeschossig. Da kommt man gut und gerne auf 15 Meter“, schätzt Triers Chefarchäologe Joachim Hupe. Bruno Kremer geht gar davon aus, dass besagtes Gebäude, von dem sich auf dem Grabungs­areal nur ein kleiner Teil fassen lässt, mehr als 80 Meter lang gewesen ist – eindeutig zu viel für ein Wohnhaus.

Mit  Vermutungen halten sich die Experten zurück. Die Fakten wie die Bauausführung (Gussmauerwerk mit Kalksteinschale) und die Lage (nur wenige Meter vom Forum, dem Zentrum des römischen Trier entfernt), legen nahe, in dem Großbau ein öffentliches Gebäude aus dem frühen vierten Jahrhundert zu sehen. Ein Verwaltungssitz möglicherweise, der nichts mit dem kaiserlichen Regierungsviertel zu tun hatte, das sich zwischen den Kaiserthermen und dem Dom erstreckte.

Und es war nicht das erste Gebäude an dieser Stelle. Kremer und sein Team stießen bei ihrer Grabung auf Reste eines Fachwerkhauses auf Kalksteinfundamenten, das um das Jahr 80 n. Chr. bewohnt war. Es brannte im zweiten Jahrhundert aus und wurde durch ein großzügiges Haus  aus Stein ersetzt, zu dem der eingangs erwähnte Unterbau der Latrinenanlage gehört. In seinem Fundament spiegelt sich der römische Sinn für Recycling wider. Es besteht unter anderem aus ausrangierten und kleingeschlagenen Säulen eines abgerissenen Gebäudes. Die Reste des Großbaus, der wohl um 300 entstand, weisen  deutliche Umbauspuren auf. So musste ein Treppenhaus weichen, um einen Saal zu vergrößern. Anscheinend herrschte viel Betrieb in den mit Fußbodenheizung ausgestatteten Räumen: Die Estriche wurden offenkundig mehrfach erneuert.

Im Mittelalter diente der Römerbau als Steinbruch. Gebaut wurde erst mehr als 1200 Jahre später wieder: Die Archäologen stießen auf eine Winkelbastion aus Sandsteinmauerwerk. Laut Hupe dürften dieser Geschützstand  „Teil einer der Festungswerke gewesen sein, die französische Truppen während ihrer Besetzung Triers seit 1674 anlegten, um die mittelalterlichen Stadttore  – in diesem Fall das Neutor  – zu sichern.“ Kleinfunde aus jener Zeit: eine eiserne Kanonenkugel, Musketenkugeln und ein Uniformknopf.

 Typisch römisch: Beim Fundamentbau wurde Altmaterial recycelt. Joachim  Hupe deutet auf Reste einer Säule aus einem vermutlich abgerissenen Haus.

Typisch römisch: Beim Fundamentbau wurde Altmaterial recycelt. Joachim  Hupe deutet auf Reste einer Säule aus einem vermutlich abgerissenen Haus.

Foto: TV/Roland Morgen
 Römisches Mauergewirr: Blick in die Grabung neben dem Deutschen Hof.

Römisches Mauergewirr: Blick in die Grabung neben dem Deutschen Hof.

Foto: TV/Roland Morgen

Mitte November enden nach sechs Monaten die archäologischen Arbeiten an der Saarstraße. Ob das Geheimnis des großen römischen Bauwerks bis dahin gelüftet werden kann? Falls nicht, können sich spätere Generationen an der Lösung des Rätsels versuchen. Ein Großteil der Mauerlandschaft bleibt unter der Tiefgarage, die darüber entsteht, erhalten.

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