Serie Jedem ein Zuhause Wohnraum in Trier: Wer im Rollstuhl sitzt, muss Glück haben
Trier · Auf dem Wohnungsmarkt im Raum Trier haben Behinderte in der Regel schlechte Karten. Doch es gibt Ausnahmen.
Ulrich Strobel war beruflich und privat immer aktiv. Der Diplom-Forstwirt liebt die Natur. Doch ein Unfall mit dem Gleitschirm veränderte im August 2013 sein Leben komplett. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. „Ich musste schon im Krankenhaus planen, wie es weitergeht“, erinnert sich der 41-Jährige, der von sich sagt, er habe Glück gehabt.
Zumindest beim Blick in seine Wohnung ist das nachvollziehbar. Die ist vorbildlich behindertengerecht gestaltet und könnte für ein Hochglanzprospekt über die besonderen Anforderungen von Rollstuhlfahrern Motive liefern.
Unterfahrbare Arbeitsplatten in der passenden Höhe gehören ebenso dazu wie elektrisch absenkbare Hochschränke, großzügig geschnittene Türen oder die vorbildlich eingerichteten Toilette und Bad. „Ich konnte die Wohnung im Rohbau kaufen und selbst gestalten“, sagt Strobel, der in einem Gutachterbüro arbeitet und sich ehrenamtlich im Behindertenbeirat Trier engagiert. „Ich hatte bei fast einem Jahr Krankenhausaufenthalt und Reha genug Zeit, um selbst zu recherchieren, was möglich ist.“ Eine Schreinerei habe dann die Küche gebaut. Möglich gewesen sei das durch die Unterstützung seiner Eltern und die Leistungen der Unfallversicherung.
Dass eine perfekt behindertengerecht eingerichtete Wohnung nichts nutzt, wenn man sie nicht erreichen kann, hat Strobel allerdings auch schon erlebt. „Ich wohne im ersten Stock und muss über den Lift hoch. Wenn der ausfällt, komme ich nicht in meine Wohnung. Aber inzwischen haben zwei Nachbarn einen Lehrgang zum Aufzugswart gemacht und können im Notfall schnell helfen.“ Problematisch mit der Selbstständigkeit kann es auch werden, wenn das Auto des Rollstuhlfahrers zugeparkt ist. Zugeparkt bedeutet in diesem Fall bereits der normale Abstand wie auf Parkplätzen. „Ich benötige mehr Platz, damit ich meinen Rollstuhl einladen kann“, verdeutlicht Ulrich Strobel die besondere Situation.
Von solchen Dingen kann auch Gerd Dahm erzählen. Der Behindertenbeauftragte lobt zwar das vom Stadtrat einstimmig verabschiedete Bekenntnis zur inklusiven Stadt, in der die Maxime angestrebt wird, dass alle Menschen selbstbestimmt leben können. In der Realität sei der Weg dorthin aber noch weit. „Die Vorgabe des Stadtrats, dass 25 Prozent der neuen Wohnungen barrierefrei sein müssen, übertrifft zwar die Vorgaben der Landesbauordnung, hilft aber mobilitätseingeschränkten Menschen nur, wenn diese auch einen privilegierten Zugang zu diesen Wohnungen haben. Die Stadt sollte dafür eine Strategie haben.“ Der freie Immobilienmarkt sei jedenfalls keine geeignete Form, um den Interessen der behinderten Menschen gerecht zu werden.
Dahm kennt positive Ausnahmen, wie in der Paulinstraße, wo in einem Neubaukomplex der IFA-Unternehmensgruppe in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe eine komplette Etage passgenau für Wohngruppen gebaut wird. „Grundsätzlich wäre so etwas häufiger möglich, wenn die Stadt eine Scharnierfunktion einnehmen würde. Warum macht es die Verwaltung nicht für Bauträger zur Auflage, dass sie sich mit dem Aktionsplan Inklusion befassen müssen?“
Wie schwierig es für Behinderte ist, eine passende Wohnung zu finden, weiß auch Ulrich Strobel. „Ältere Wohnungen sind in der Regel nicht barrierefrei. Wer aber nur über ein geringes Einkommen verfügt, findet kaum eine Möglichkeit, bezahlbaren Wohnraum zu finden.“ Auch den passgenauen Umbau einer Wohnung könne sich nicht jeder leisten. „Hinzu kommt, dass für die notwendigen Anträge sehr viel Geduld benötigt wird.“ Zeit, die nicht jeder hat.
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