Bau-Art macht Geschichte sichtbar: Wie eine römische Wasserleitung dabei hilft, viele Barrieren zu überwinden

Trier · Geschichte hautnah erleben. Dieses Versprechen lockt Hunderttausende Touristen nach Trier. Wie die Vermittlung von Geschichte gleich mehrfachen Nutzen haben kann, zeigt ein Club-Aktiv-Projekt. Im Mittelpunkt steht dabei eine römische Wasserleitung.

 Die Relikte der römischen Wasserleitung, die neben dem Amphitheater die Stadtmauer gekreuzt hat, sind im Gebäude des Club Aktiv im Bereich Bergstraße/Schützenstraße zu bestaunen.Foto: Thomas Zühmer ,GDKE/Rheinisches Landesmuseum Trier

Die Relikte der römischen Wasserleitung, die neben dem Amphitheater die Stadtmauer gekreuzt hat, sind im Gebäude des Club Aktiv im Bereich Bergstraße/Schützenstraße zu bestaunen.Foto: Thomas Zühmer ,GDKE/Rheinisches Landesmuseum Trier

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Trier. Fließendes Wasser in der Stadt war zur Zeit der Römer eine unschätzbar wertvolle Errungenschaft. Im Osten führte vom zweiten bis vierten Jahrhundert von der Ruwer eine der Hauptwasserleitungen nach Trier. Die Schnittstelle mit der römischen Stadtmauer ist ein bis heute erhaltenes Relikt, zu bestaunen im Untergeschoss der Club-Aktiv-Zentrale neben dem Amphitheater. Dank eines innovativen Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekts für Menschen mit psychischen Erkrankungen lassen sich die historischen Bezüge nun auch durch die Fensterscheiben von der Bergstraße aus herstellen.

Bau-Art heißt das Kooperationsprojekt von Club Aktiv und dem Verein Transcultur, in dem seit 2005 Wände, Treppenhäuser und Fassaden zahlreicher öffentlicher Gebäude und Schulen grafisch gestaltet wurden. Mehr als 80 Menschen, die im Alltag heftig mit Depressionen, Angst, Sucht oder Antriebslosigkeit kämpfen, haben dabei unter handwerklich und künstlerisch professioneller Anleitung ihrem Leben mehr Struktur und Sinn gegeben. "Bei der Gestaltung in unserem eigenen Gebäude wollten wir unbedingt einen thematischen Bezug zum Standort", sagt Martina Josten. Die Marketingchefin beim Club Aktiv wird den aufgewerteten Besprechungsraum in Zukunft nicht nur für interne Termine nutzen.

Grafikerin Gabi Bruckmann arbeitet als Honorarkraft für den Verein Transcultur und entwickelt die Gestaltungsvorlagen. "Uns war ziemlich früh klar, dass wir die Wasserleitung einbeziehen", erinnert sie sich an den Start des Projekts. "Schließlich geht es bei Bau-Art auch darum, Barrieren zu überwinden, die fließend sind."
Das Ergebnis ist ein stilisiertes Stadtraster des römischen Triers mit Bächen und Wasserleitungen, die auch weit über die Grenzen der Stadt hinausreichen. Insgesamt 13 Projektteilnehmer haben die Raumgestaltung unter Fachanleitung von Malermeister Tobias Rothländer professionell umgesetzt. Neben der Arbeit am "Kunstwerk" sieht die Arbeitswoche der Bau-Art-Teilnehmer an zwei von fünf Wochentagen das Erlernen von Malertechniken vor. "Da geht es zum Beispiel um Marmorspachteltechnik", erklärt Rothländer, der seine Schützlinge viel lobt.

Das gefällt auch Yasmin Hoyer, die bereits seit mehreren Jahren als Teilnehmerin dabei ist. "Hier kann ich meinen Wunsch verwirklichen zu arbeiten", sagt die junge Frau, die lernen will, besser mit Vorgaben und Regeln umzugehen. Begleitet werden sie und die anderen Projektteilnehmer deshalb von Psychologen und Pädagogen. Diese besprechen individuelle Ziele und können jederzeit eingreifen, wenn sie sich als zu ambitioniert herausstellen.
"Die Teilnehmer entdecken neue Strukturen, indem sie etwas Neues ausprobieren", ist Psychologin Isabel Bosch überzeugt. "Etwas zu schaffen, steigert einfach das Selbstwertgefühl."

Zu Freude und Stolz der Teilnehmer beitragen wird auch die Begeisterung von Georg Breitner, beim Landesmuseum in Trier zuständig für die Unesco-Liegenschaften und externer Berater des Wasserleitungsprojekts. "Barrierefreiheit ist auch bei uns ein großes Thema, denn wir wollen Denkmäler noch stärker erlebbar machen", formuliert der Wissenschaftler. "Es geht dabei auch um mentale Barrierefreiheit, also darum, einen Zugang zur Geschichte zu schaffen. Wie man bei Bau-Art ein so sperriges Thema angeht, begeistert mich. Ich habe schon Ideen für Folgeprojekte."

Beim Club Aktiv und auch beim Kooperationspartner Transcultur hört man das gerne. Vor allem aber sind die Teilnehmer stolz darauf, wieder einen Raum interessant und professionell gestaltet zu haben, in diesem Fall sogar mit Sichtkontakt und inhaltlichem Bezug zu den Überresten der ehemaligen Lebensader für das römische Trier. Dem Ziel, ihrer Krankheit zu entkommen, sind sie dabei auch ein Stück näher gerückt.
Extra

Bau-Art ist ein innovatives Kooperationsprojekt der Club Aktiv GmbH mit dem Verein Transcultur. Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch eine flexible und auf die Personen zugeschnittene Betreuung zu erhöhen. Die Qualifizierung und das Berufstraining sollen bis zur Integration in den Arbeitsmarkt führen. Es geht um die Kombination von handwerklichen und kunstorientierten Aktivitäten zur kreativen Wandgestaltung. Das Projekt hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Spuren hinterlassen, zum Beispiel im Rathaus Trier, in mehreren Grundschulen, der Volkshochschule und in Jugend- und Stadtteilzentren. "Wir gestalten und machen keine Malerarbeiten", stellt Jean-Martin Solt vom Verein Transcultur klar. "Es ist immer eine einmalige Gestaltung. Dem Handwerk machen wir keine Konkurrenz." Bau-Art wird unterstützt und gefördert durch den Europäischen Sozialfonds, die Stadt Trier und das Land Rheinland-Pfalz. r.n. Kontakt: www.abc.clubaktiv.de , Telefon 0651/1456112; www.transcultur.de , Telefon 0651/149370.

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