Brisante Hinterlassenschaft

Weil die CDU eine Reform der Verwaltungs- und Personalstruktur zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Haushalt macht, ist ein altes Konzept von Ex-OB Schröer (CDU) und Ex-Dezernent Dietze (SPD) plötzlich wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.

Trier. Es war im Jahr 2006, als Helmut Schröer, das Ende seiner Amtszeit bereits im Blick, das höchst brisante Papier einer Arbeitsgruppe aus Rat und Rathaus zur "Reorganisation der Verwaltung" auf den Tisch legte. In Zusammenhang mit der Umstellung des Haushalts auf die an einem Wirtschaftsunternehmen orientierte "Doppik" hätte es im Rathaus buchstäblich alles auf den Kopf gestellt (siehe Hintergrund). Schröer und Dietze wollten weg von der jahrzehntelang gewucherten Ausrichtung der Verwaltung an den Bedürfnissen der jeweils im Amt befindlichen Dezernenten, die zu einem teilweise absurden Zuständigkeitswirrwar geführt hatte.

Doch Schröer-Nachfolger Klaus Jensen verspürte wenig Neigung, die undankbare Hinterlassenschaft anzutreten und beschränkte sich auf einzelne Punkte. Ende 2007 beschloss der Rat mit breiter Mehrheit, lieber die Verwaltung nach den vorhandenen Dezernaten - und Dezernenten - auszurichten, als umgekehrt die Dezernate einer möglichst effektiven Arbeitsweise anzupassen.

Alarm: Bald 42 Millionen Euro jährliche Zinsleistungen



Seither hat sich die Gesamtfinanzsituation der Stadt weiter dramatisch verschlechtert. Auch die Personalausgaben sind von 2007 bis zum Haushaltsansatz 2011 um fast sechs Millionen auf 73,5 Millionen Euro gestiegen - der OB verweist auf Tariferhöhungen. Wie katastrophal die weitere Entwicklung sein wird, verdeutlicht eine Prognose der städtischen Finanzexperten: Danach verdoppeln sich die Ausgaben für Kreditzinsen (!) bis 2014 auf fast 42 Millionen Euro jährlich - macht 4000 Euro pro Bürger.

Angesichts derart schockierender Zahlen hat sich die CDU wieder der Möglichkeit einer umfassenden Verwaltungs-Strukturreform besonnen und sie zu einer von mehreren Bedingungen für eine Zustimmung zum Haushalt gemacht. Auf den Beitritt zum Entschuldungsfonds des Landes - der drastische Sparauflagen mit sich bringen wird - hat man sich schon geeinigt, ebenso wie auf den Abschluss von Zielvereinbarungen mit Institutionen, die städtische Zuschüsse enthalten.

Gestern Abend wurde im Steuerungsausschuss nicht-öffentlich über zusätzliche Sparmaßnahmen gefeilscht, die die Verwaltungsspitze auf CDU-Initiative noch eingebracht hat. Es zeichnet sich ab, dass die Christdemokraten den Haushalt am 2. Februar zumindest passieren lassen. Von der großen Verwaltungsreform blieb einstweilen nur die Zusage, entsprechende Bemühungen "weiterzuführen". Weit weniger, als die CDU eigentlich wollte.

Die SPD hat ohnehin andere Prioritäten. In einer Erklärung heißt es, man wolle "zunächst" eine Neuverteilung der Finanzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erreichen und dann "eigene Anstrengungen vollführen". Eine "langfristige Verwaltungsstrukturreform" sei notwendig, aber keine "pauschale Personalkürzung".

Die FWG bekräftigt derweil ihre Forderung nach einer "Prioritätendebatte". Zudem bedürfe es einer "Mentalitätsänderung": Bei Sparvorschlägen sei künftig "nicht zu prüfen, warum es nicht geht, sondern wie es gehen kann".

Meinung

Alles, gleichzeitig und sofort

Wie wär's mit einem bisschen Realitätsbezug? Die Frage ist längst nicht mehr, was die Stadt Trier zur Verbesserung ihrer Finanzen tut und was nicht. Sie muss alles tun, und zwar gleichzeitig: Alle Einnahmenschrauben anziehen, manch liebgewonnene Leistung einstellen, von Land und Bund mehr Geld fordern, eigene Ausgaben zurückfahren, die Bürger zu mehr Eigenleistung animieren, jede Zuschuss-Chance von außen nutzen, dem Umland mehr Unterstützung abfordern, sich selbst in jeder Hinsicht bescheiden. Wenn da noch ein Minimum an souveräner Handlungsfähigkeit bleiben soll, muss man sich das Geld dafür an anderer Stelle absparen. Und das geht bei der Stadt nennenswert nur beim Personal. Nicht, weil in der Trierer Stadtverwaltung mehr faule oder inkompetente Leute sitzen als anderswo. Sondern weil die Effektivitäts-Reserven nie eingefordert und ausgelotet worden sind. Über Jahrzehnte ist ein Konglomerat von Gewohnheiten, Besitzständen, Umwegen, Mehrfachzuständigkeiten entstanden. Meistens nicht von Seiten der "Indianer", sondern von oben. Da wurden Dezernate dem politischen Bedarf angepasst und Zuständigkeiten den Hobbys der Dezernenten. So entstehen Biotope und Nischen, Effizienzbremsen und Verantwortungslücken. Wer fünf Minuten mit einem Mitarbeiter der Verwaltung redet, erfährt Beispiele satt. Grundsätzliche Strukturreformen tun weh. Sie bringen Unruhe und schlechte Stimmung. Wenn man da auf Konsens wartet, kann man es auch gleich sein lassen. Mit dem, was der Trierer "Döppchesflickerei" nennt, kommt man nicht weit. Und auch nicht mit dem gebetsmühlenhaften Verweis, die Trierer Verwaltung sei ohnehin unterbesetzt. Selbst wenn es in einzelnen Bereichen zutrifft. d.lintz@volksfreund.de

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