"Das Auge muss rundlaufen können"

Vom Dunkel ins Licht: Zur Zeit des Nationalsozialismus galten ihre Gemälde als "entartet", heute zählen sie zu den Standardwerken der Kunstgeschichte. Picasso, Chagall, Nolde, Dix , Kirchner und viele ihrer Weggefährten, Freunde, Lehrer und Schüler sind ab Sonntag im Haus Beda vereint, das damit einen seltenen Querschnitt durch die Kunst der 20er, 30er und 40er Jahre bietet.

 „Das waren Zeitgenossen von Fritz von Wille“: Michael Dietzsch vor einem Gemälde von Ernst Mollenhauer (Jahrgang 1892, wie Eifelmaler von Wille). Einer der Favoriten von Galerist Schwarzer: ein Gemälde von Lesser Ury (kleines Bild). TV-Foto: Dagmar Schommer

„Das waren Zeitgenossen von Fritz von Wille“: Michael Dietzsch vor einem Gemälde von Ernst Mollenhauer (Jahrgang 1892, wie Eifelmaler von Wille). Einer der Favoriten von Galerist Schwarzer: ein Gemälde von Lesser Ury (kleines Bild). TV-Foto: Dagmar Schommer

Bitburg. Bitburgs Kulturstätte Haus Beda ist auch das Zuhause der größten Werksammlung des Eifelmalers Fritz von Wille (1892 bis 1941), die dort in einer Dauerausstellung gezeigt wird. "Unsere Idee ist es, das Haus über den Eifelmaler hinaus zu öffnen", sagt Michael Dietzsch, Vorsitzender des Stiftungsrats der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung, die die Ausstellung "Klassische Moderne" in Zusammenarbeit mit der Galerie Schwarzer aus Düsseldorf organisiert. Kunstsammler Dietzsch hat auch den Kontakt zur Düsseldorfer Galerie hergestellt. 60 Gemälde hat Karl Schwarzer vom Rhein in die Eifel gebracht.

"Was diese Künstler fast alle von Fritz von Wille unterscheidet: Sie wurden verfolgt und standen unter Malverbot", sagt Dietzsch. Reizvoll findet auch Galerist Schwarzer den "Fensterblick", den die Ausstellungs-Konzeption ermöglicht: So sind neben den expressiven Werken auch die naturalistischen Gemälde von von Wille zu sehen.

Expressives Empfinden statt naturgetreuer Wiedergabe



"Die Expressionisten wollten ihrer Weltsicht und ihrem Empfinden Ausdruck geben, während die Naturalisten den Anspruch hatten, naturgetreu wiederzugeben", sagt Dietzsch und betont: "Die ,Klassische Moderne' ist bisher unsere größte und spektakulärste Ausstellung."

Zufällig hängt da kein Bild neben dem anderen. Die Anordnung der Gemälde im Raum ist spielentscheidend für deren Wirkung. "Ich habe davon geträumt, wie ich die Bilder positioniere", sagt Schwarzer, der schon ein paar Tage in Bitburg weilt. Sein oberstes Gestaltungs-Ziel: "Das Auge muss rundlaufen können." Einer seiner Favoriten ist ein Bild von Lesser Ury, das eine Abenddämmerungs-Szene in Berlin zeigt. "Wegen der Mystik und des Lichts", sagt Schwarzer. Dietzsch schätzt besonders ein Landschaftsbild von Hans Purrmann. "Da kann ich den Wind fast spüren und den Lavendel riechen", schwärmt er. Fasziniert hält Schwarzer bei einem Zigeuner-Bild von Otto Müller inne: "Das malte der in dieser Nazi-Zeit. Was der für einen Mut gehabt haben muss, das muss man sich mal vorstellen."

Meinung

"Gudd Stuv" statt Kulturamt

Bitburg, vor allem mit Bier und Autos verbunden, steht nicht gerade im Verdacht, Kulturstadt zu sein. Dass Bitburg aber auch an Kultur einiges zu bieten hat, zeigt sich besonders im Jubiläumsjahr von Kulturgemeinschaft und Dr.-Hanns-Simon-Stiftung, die seit 60 beziehungsweise 40 Jahren ein Programm auf die Beine stellen, das das städtische Leben bereichert. Das ist umso beachtlich, da Bitburg, anders als Wittlich, weder Kulturamt noch Kulturamtsleiter dazu braucht. Die Ausstellung "Klassische Moderne" bietet einmal mehr die Chance zu erleben, wozu die "gudd Stuv", wie das Haus Beda auch genannt wird, so alles gut ist. Jetzt liegt es an den Kunstinteressierten, das Angebot zu würdigen, um die Macher darin zu bestärken, ihren eingeschlagenen Weg fortzusetzen. d.schommer@volksfreund.deEXTRA Alles in Bitburg: Gezeigt werden Werke von Willi Baumeister, Max Beckmann, Georges Braque, Marc Chagall, Le Corbusier, Otto Dix, Hermann Hesse, Carl Hofer, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Henri Matisse, Ernst Mollenhauer, Gabriele Münter, Otto Müller, Ernst Wilhelm Nay, Emil Nolde, Max Pechstein, Pablo Picasso, Hans Purrmann, Max Slevogt, Karl Schmidt-Rottluff, Kurt Schwitters, Lesser Ury, Heinrich Zille und anderen. Vernissage: Sonntag, 26. Oktober, 11 Uhr, mit Kunsthistorikerin Margot Klütsch; Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 15 bis 18 Uhr; Samstag, Sonntag, 14 bis 18 Uhr, bis 23. November (Eintritt frei). (scho)

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