Das Chamäleon im Herzen Triers

Trier · Ständig pendelt Kioskbetreiber Friedhelm Schneider zwischen dem Landkreis Mainz-Bingen und dem Herzen Triers hin und her. Im fünften Jahr betreibt der 52-Jährige den Kiosk auf dem Hauptmarkt. Warum er sich kaum einen schöneren Platz vorstellen kann, davon erzählt er in unserer Serie.

 Arbeitet mitten auf dem Trierer Hauptmarkt: der Kioskbetreiber Friedhelm Schneider. TV-Foto: Katja Bernardy

Arbeitet mitten auf dem Trierer Hauptmarkt: der Kioskbetreiber Friedhelm Schneider. TV-Foto: Katja Bernardy

Trier. Ich muss zugeben, im Laufe der Jahre bin ich etwas betriebsblind geworden und habe die Schönheit des Hauptmarktes nur noch hin und wieder wahrgenommen. Schließlich bin ich fast jeden Tag viele Stunden hier und nur durch den Alltag ist das eindrucksvolle Bild, das ich anfangs hatte, leicht verblasst. Doch nach wie vor finde ich es faszinierend, dass ich von meinem Arbeitsplatz aus die St. Gangolf Kirche, die Steipe, das Marktkreuz und die Porta Nigra sehen kann.
Seit über 20 Jahren an der Mosel


Ich arbeite seit fast fünf Jahren auf rund sechs Quadratmetern im Herzen Triers. Der Kiosk ist einer meiner beiden Lebensmittelpunkte. Lebensmittelpunkt Nummer zwei ist in Dolgesheim, im Landkreis Mainz-Bingen. Dort habe ich meinen ersten Wohnsitz, da lebt meine Frau, und ich verbringe meine Freizeit ausschließlich bei ihr. Meinen zweiten Wohnsitz habe ich in Trier, in der Simeonstraße, rund 50 Meter von dem Kiosk entfernt. Im Umland von Trier bin ich nie. Möchte ich in der Natur sein, dann im Mainzer Raum.
Auf die Frage, ob ich mehr Trie rer oder mehr Dolgesheimer bin, kann ich nur schwer antworten. Jedenfalls nicht ganz ernstzunehmend. Ich träume zwar in Trierisch, und man sagt ja, die Traumsprache sei identitätsstiftend, aber sobald ich in Rente gehe, was noch einige Zeit dauern wird, werde ich dann wohl kein Trierer mehr sein. Obwohl mir die Stadt vom ersten Augenblick an sehr gut gefallen hat. Das war 1990, als ich berufsbedingt an die Mosel kam. Die Trierer erlebe ich seitdem als sehr zurückhaltend, aber sehr freundlich. Und sie sind nicht oberflächlich!
Jahrelang habe ich Abonnenten für den Trierischen Volksfreund geworben und auch öfter auf dem Hauptmarkt für die lokale Tageszeitung die Werbetrommel gerührt. So ist auch der Kontakt zu dem vorherigen Kioskbetreiber entstanden. Wohl seit dem Ausbau des Hauptmarktes Ende der 1970er Jahre ist der Kiosk, den ich von der Stadt gepachtet habe, in seiner jetzigen Form entstanden. Ich mag es, hier Zeitungen und Zeitschriften sowie Souvenirs zu verkaufen. Hauptsächlich Touristen aus Europa, vorwiegend aus Holland, England und Frankreich, kaufen Presseartikel und Ansichtskarten, worauf die schönsten Plätze Triers zu sehen sind, sowie Gläser, Taschen oder Tassen. Aber ich habe auch etliche Stammkunden, und mancher Prominente kauft hier ein: Von Trierern, die auf der Titelseite des TVs zu sehen sind - ich bin diskret und nenne keine Namen der lokalen Größen - bis hin zu dem Starkoch Horst Lichter und dem Kabarettisten Urban Priol.
Nach wie vor begeistert mich die Atmosphäre am Hauptmarkt: Sie ist sehr geschäftig, es ist ein Kommen und Gehen. Und der Marktplatz ist wie ein Chamäleon, sein Bild verändert sich stets mit den Jahreszeiten. Im Sommer etwa, der Hauptgeschäftszeit, ist immer was los, die Menschen strömen von A nach B, und im Winter entsteht hier durch den Weihnachtsmarkt wieder eine komplett andere Stimmung.
Schaue ich von meinem Kiosk aus die Simeonstraße entlang, bleibt mein Blick an der Porta Nigra hängen. Sie ist ein Glücksfall für Trier! Das ehemalige Stadttor, das auch mal Kirche war, ist mein Lieblingsbauwerk. Schön, dass ich es jeden Tag von meinem Arbeitsplatz aus sehen kann.
Aufgezeichnet von Katja Bernardy.

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