Das dunkle Kapitel Zwangssterilisierungen

In den Jahren von 1933 bis 1944 wurden im Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus für den gesamten Bezirk Trier Zwangssterilisierungen durchgeführt (der TV berichtete). Das Krankenhaus und sein neuer Träger, der Agaplesion-Verbund, lassen dieses dunkle Kapitel nun von einem Institut aufarbeiten.

Trier. "Auch wenn die Dokumente dazu noch unvollständig sind und zum Teil in verschiedenen Archiven lagern, legen verschiedene Quellen nahe, dass sich die Zahl der Betroffenen wohl auf einige Tausend Personen beläuft." So begründen das Evangelische Elisabeth-Krankenhaus und sein Träger, der Agaplesion-Verbund, ihre Initiative zur Aufarbeitung des Themas Zwangssterilisierungen. Sie haben beschlossen, "diesen Teil der Geschichte Triers wissenschaftlich aufzuarbeiten und auf diese Weise einer Bewertung und eines erinnerungskulturellen Gedenkens zugänglich zu machen." Zu diesem Zweck habe das Haus bereits Kontakt zu historischen Instituten aufgenommen. "Wir werden das Projekt wohl an die Universität Hannover vergeben und finanziell und logistisch unterstützen", sagte Krankenhaus-Pressesprecher Mathias Brandstädter dem TV.

Georg Schmidt, neben Dieter Hewener seit Beginn des Jahres neuer kaufmännischer Geschäftsführer, erläutert den Schritt: "Als Krankenhaus leben wir vom Vertrauen, das die Patienten in uns setzen. Dazu gehört auch, dass man sich mit der Geschichte der eigenen Institution befasst. Deshalb müssen wir das, was hier vor 65 Jahren geschehen ist, umfassend und fundiert aufarbeiten." Sobald erste Ergebnisse vorliegen, werde die Öffentlichkeit informiert, verspricht Schmidt.

Dass das Krankenhaus sich dem dunklen Teil seiner Vergangenheit stellt, ist auf die jahrelange Aufklärungsarbeit über Zwangssterilisierungen in nationalsozialistischer Zeit von Hans Lieser und seinem Schwager Valentin Hennig aus Kordel sowie auf die Arbeit des Trierer Historikers Thomas Schnitzler zurückzuführen.

Hans Lieser ist Betroffener und wurde im Alter von 16 Jahren gegen seinen Willen zeugungsunfähig gemacht. Die unermüdliche Aufklärungsarbeit gipfelte in dem Dokumentarfilm "Komm doch mit, bitte sei ganz ruhig, wir gehen mal da hin ..." von Harry Günzel und Bettina Leuchtenberg von der Trie rer Medienagentur "Schnittstelle". Schnitzler hatte den Film, der auch in Hamburg und Berlin gezeigt wurde, wissenschaftlich begleitet. Am Beispiel von Hans Lieser wird das Schicksal Tausender Menschen dokumentiert. Lieser und Hennig hatten im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Extra Seit Ende 2009 gehört das Evangelische Elisabeth-Krankenhaus in Trier zum bundesweiten Agaplesion-Verbund und bildet mit dem Marienkrankenhaus Trier-Ehrang das erste ökumenische Verbundkrankenhaus in Rheinland-Pfalz. Von der Aufarbeitung der Geschichte über die Zwangssterilisierungen sei nur das Evangelische Elisabeth-Krankenhaus betroffen, betonte Mathias Brandstädter, Pressesprecher des Evangelischen Elisabeth-Krankenhauses. (kat)

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