Das Gericht zeigt die Folterwerkzeuge Wer muss aussagen?

Der Prozess gegen den Trierer Rechtsanwalt Paul Greinert, dem die Anklage das kriminelle Einfädeln einer Falschaussage vorwirft, gewinnt an Dramatik. Das Landgericht will zwei widerspenstige Zeugen, darunter einen 78-Jährigen, mit der Androhung von Beugehaft zur Aussage zwingen. Wann hat jemand das Recht, seine Aussage vor Gericht zu verweigern? Eine Schlüsselfrage im Greinert-Prozess.

Trier. Am sechsten Tag des "Greinert-Prozesses" hat sich ein Ritual fest eingebürgert: Die Verhandlungstage beginnen in der Regel mit einem "Noten-Austausch" zwischen der Verteidigung und den Staatsanwälten. Greinert-Staranwalt Prof. Dr. Dr. Ignor aus Berlin stellt fein ziselierte Anträge zum Verfahren, die Staatsanwaltschaft spricht dagegen, das Gericht lehnt sie nach angemessener Anstandsfrist ab. Man traktiert sich in verbindlichem Ton wechselseitig mit dem Zitieren von Grundsatzentscheidungen, Standard-Kommentaren, Fußnoten und Mindermeinungen. Ein für Insider spannendes Gefecht, bei dem Jura-Studenten mehr lernen könnten als in mancher Vorlesung. Denn die Kontroverse bewegt sich, auch wenn die Inszenierung spielerisch wirkt, auf hochsensiblem Grundrechts-Terrain. Die Verteidigung versucht, die Anklage gegen Greinert mit zwei durchaus unterschiedlichen StemmEisen auszuhebeln: Zum einen will man durch verfahrensrechtliche Mittel die Aussagen möglicherweise belastender Zeugen blockieren (siehe nebenstehender Artikel). Zum anderen soll die Glaubwürdigkeit des entscheidenden Belastungszeugen angeknackst werden. Dieser Hauptbelastungszeuge ist der Kölner Privatdetektiv Helmut P., der gegen Zahlung von 5000 Euro auf Geheiß des Unternehmers Hubert T. im Prozess gegen dessen Sohn Frank T. zugunsten des Filius eine recht haarsträubende Falschaussage gemacht hatte. Ob Paul Greinert als Verteidiger von Frank T. bewusst daran mitgewirkt hat, diese Falschaussage zu zimmern und zu "optimieren", ist der Gegenstand des aktuellen Prozesses. P. hat das so behauptet. Aber bei ihm handelt es sich um einen gerichtsbekannten, notorischen Lügner und Betrüger. Das bestätigt auch noch mal ein Kölner Polizeibeamter, der in Trier aussagt. P., sagt er, sei in Polizeikreisen für seine falschen Beschuldigungen berüchtigt. Prompt zückt Professor Ignor den Stift, um den Pluspunkt zu notieren. Angesichts des wackligen Hauptzeugen verwendet das Gericht enorme Mühe darauf, die Entstehungsgeschichte seiner Falsch-Aussage zu rekonstruieren. Die kleinsten Steinchen werden umgedreht. Wichtige Zeugen wären dabei Vater und Sohn T. Aber die verweigern die Aussage, berufen sich auf die Gefahr, sich selbst zu belasten. Die Kammer sieht das anders und ordnet Beugehaft an. Freilich mit Augenmaß: Bis zur Entscheidung über einen möglichen Einspruch wird die Maßnahme nicht vollzogen. Eine Galgenfrist, vor allem für den 78-jährigen Vater T. Trier. (DiL) Wenn jemand Gefahr läuft, sich durch eine Aussage vor Gericht selbst eine Anklage einzuhandeln, muss er nicht aussagen. Eine Regelung, die nicht nur dem Schutz des Zeugen dient, sondern die auch verhindern soll, dass Falschaussagen zu Lasten des Angeklagten drohen, weil sich ein Zeuge aus Selbstschutz nicht traut, die Wahrheit zu sagen. Hätte beispielsweise Privatdetektiv P. den angeklagten Anwalt Greinert zu Unrecht belastet, könnte ihm bei einer wahrheitsgemäßen Aussage-Korrektur eine Strafverfolgung drohen. Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft allerdings bekundet, auf eine solche Maßnahme verzichten zu wollen. Heikel ist auch, wenn - wie bei Frank T. - ein Zeuge über die vertraulichen Gespräche mit seinem Anwalt aussagen soll. Das sei ein von der Verfassung geschützter "unantastbarer Kernbereich", sagt Greinerts Verteidigung. Aber die Sonderstellung dürfe dem Anwalt "keinen Freibrief für Straftaten verschaffen", kontert die Staatsanwaltschaft. Gut möglich, dass der Trierer Fall wegen seiner Grundsatz-Bedeutung bis hoch zum Verfassungsgericht wandert.

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