Geschichte Dem „Aber“ keinen Raum geben: Trierer gedenkt verfolgten Juden

Trier · Eine Gedenkveranstaltung und eine Ausstellung im Museum am Dom erinnern an die Deportation von Juden vor 75 Jahren.

 Dominik Heinrich, Jeanna Bakal, Peter Szemere und Wolfram Leibe (von links) besuchen die Gedenkstelle am Rindertanzplatz, die an die Deportation von jüdischen Bürgern Triers in der NS-Zeit erinnert. 

Dominik Heinrich, Jeanna Bakal, Peter Szemere und Wolfram Leibe (von links) besuchen die Gedenkstelle am Rindertanzplatz, die an die Deportation von jüdischen Bürgern Triers in der NS-Zeit erinnert. 

Foto: Martin Recktenwald

„Trier vergisst nicht“, lautete die Botschaft einer Gedenkveranstaltung im Museum am Dom. Erinnert wurde an jüdische Bürgerinnen und Bürger Triers, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten zunächst Ausgrenzung und Gewalt erleiden mussten und schließlich 1943 in Vernichtungslager deportiert wurden. Im Foyer des Museums zeigt die neue Ausstellung „(Unge)rechtes Trier“, welche Verbrechen an ihnen verübt wurden.

An diese Zeit zu erinnern sei aktuell notwendiger denn je, meinte Oberbürgermeister Wolfram Leibe. Denn es gebe immer mehr Menschen, die „Aber-Sätze“ formulieren. Beispielsweise im Stil: Ja, Juden wurden ermordet, aber Dresden wurde bombardiert. „Was für ein Unsinn! Das konterkariert jede historische Wahrheit“, empörte sich Leibe. Vor dem Wiedererstarken nationalistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts warnte auch Domprobst Werner Rössel, Vorsitzender des Kuratoriums des Museums am Dom. „Ein Blick in den aktuellen Deutschen Bundestag mahnt uns alle, hellwach zu sein“, sagte er. Die Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Trier, Jeanna Bakal, fasste zusammen, was die historische Erfahrung gelehrt habe: „Es fängt mit harmlosen Dingen an und endet in großer Traurigkeit.“

Was geschehen kann, wenn sich ein Staat auf Hass und Menschenverachtung einlässt, verdeutlichen vom Nazi-Regime verfolgte jüdische Männer, Frauen und Kinder in Trier. Einigen dieser Menschen hat der Leistungskurs Gemeinschaftskunde an der Berufsbildenden Schule für Gestaltung und Technik nachgespürt. Mit alten Fotografien und kurzen Auszügen ihrer Lebensgeschichten stellte die Schülergruppe sie vor. Menschen wie die 1899 in Trier geborene Gertrud Schloss. Sie geriet gleich mehrfach ins Visier der NS-Ideologie. Nicht nur war sie Jüdin, sie engagierte sich außerdem in der SPD und in Theaterstücken und journalistischen Publikationen für Frauenrechte und ein vereintes Europa. Die Flucht nach Frankfurt und spätere Ausreise nach Luxemburg 1939 retteten sie nicht.  Ein Jahr nach Einmarsch der Wehrmacht wurden sie und ihre Familie 1941 nach Lodz deportiert. Im KZ Chelmo wurde Getrud Schloss im Mai 1942 ermordet. Das Museum am Dom steht als Ort in unmittelbarer Verbindung zu dem historischen Geschehen dieser Jahre. War doch hier in der Windstraße seinerzeit ein Gefängnis, in dem das Nazi-Regime viele einkerkerte und folterte, die nicht in sein Menschenbild passten. Es wurde außerdem zwischen 1941 und 1943 als Sammelstelle zur Deportation von Juden in die Todeslager genutzt. Ebenso traf dies für das beschlagnahmte Bischof-Korum-Haus in der Rindertanzstraße zu. Eine von Steinbänken gesäumte Gedenktafel erinnert auf dem heutigen Parkplatz an dieses Geschehen. Es sei ein erster wichtiger Schritt für einen Gedenkort, meinte Oberbürgermeister Leibe. Mit Jeanna Bakal und Peter Szemere von der Jüdischen Kultusgemeinde sowie Dominik Heinrich, Ortsvorsteher Mitte-Gartenfeld, hatte er zum Auftakt der Gedenk­veranstaltung Station an der Hinweistafel gemacht. „Seit Jahren warten wir auf ein Zeichen des Investors zur Zukunft des Platzes. Mit dem Gedenk­ort wollten wir nicht mehr länger warten“, sagte Leibe. Die Tafeln wurden auf Initiative des Ortsbeirats Mitte-Gartenfeld und Leibes Vorgänger Klaus Jensen aufgestellt. Eine aufgewertete, neue Version der Gedenkstätte Rindertanzstraße fasse die Stadt für den Zeitpunkt nach Abschluss des infrage stehenden Hotelbaus auf dem Grundstück ins Auge.

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