Der Dezernent und seine Dramen

Trier · Seit der Absage von "NeroHero" steht er im Mittelpunkt der Kritik: Triers Dezernent Thomas Egger (SPD). Das gescheiterte Projekt ist nicht das erste Debakel, seit der Jurist vor sechs Jahren das Ruder übernommen hat. Eine kritische Analyse des TV, die sich auf die Leistungen des Multi-Dezernenten in der Kultur konzentriert.

Der Dezernent und seine Dramen
Foto: Friedemann Vetter

Trier. "Die öffentliche Meinung ist derart negativ beeinflusst worden, dass ein Erfolg nicht mehr gewährleistet werden konnte." Diese Worte sprach Triers Kulturdezernent und sagte das große Ereignis einfach ab. Er ließ seinen Verdruss und seinen Frust über so viel Gegenwind deutlich erkennen, ebenso wie der Theaterintendant. Nein, die Rede ist nicht von "NeroHero", Karl Sibelius und Thomas Egger. Die eben geschilderte Szene spielte sich 2009 ab, Hauptdarsteller waren Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink und Intendant Gerhard Weber - und das abgesagte Ereignis waren die Antikenfestspiele.
Es ist ein echtes Déjà vu - schon damals waren nicht das Konzept und dessen Macher, sondern die Zweifler, die Kritiker und vor allem die Medien an allem schuld. So ist es aus Sicht von Thomas Egger auch heute (der TV berichtete mehrfach).
TV-Analyse


Das Drama um die Antikenfestspiele läutete auch das Ende von Holkenbrinks Ära in der Chefetage des Rathauses ein. 2010 übernahm der damals 40 Jahre alte Rechtsanwalt Thomas Egger die Dezernate Wirtschaft, Ordnung und Kultur. Ein Stabwechsel in einer schwierigen Zeit. Was damals noch niemand wissen konnte: Es sollte noch dicker kommen.
Mit den beiden großen Produktionen "Ödipus/Antigone" und "Nerone" gingen die wiederbelebten Antikenfestpiele 2010 an den Start. Die Kritiker lobten das Programm, doch die Hälfte aller Plätze blieb leer. Die Stadt saß auf einem Minus von 220 000 Euro.
Eggers erste Erklärung: Die Antikenfestspiele seien wohl inzwischen "negativ besetzt". Das war nicht seine Schuld - doch es war sein Job, im November 2010 zu verkünden, dass Trier das Label Antikenfestspiele endgültig fallen lässt.
Egger stellte einen Plan B in Aussicht. Eine Taktik, die er gleich zweimal anwandte. Denn neben den Antikenfestspielen gab es noch das Römerspektakel Brot und Spiele. Keine Hoch-, sondern Spaßkultur mit Legionären in den Kaiserthermen und Gladiatoren im Amphitheater. Die Zuschauer mochten diese Art des Spiels mit dem römischen Erbe, oft waren die Vorstellungen ausverkauft. Dennoch blieb Brot und Spiele immer defizitär. 2012 spielte der Stadtrat angesichts eines Zuschusses von 50 000 Euro und einer zusätzlichen Deckungslücke von weiteren 50 000 Euro nicht mehr mit.
Kulturdezernent Egger sagte daraufhin auch Brot und Spiele ab. Offiziell erst mal nur für 2013, doch seitdem herrscht Stille. Stattdessen arbeitete eine geheime Arbeitsgruppe unter Eggers Leitung an einem Plan B. Wieder ein Déjà vu? Oh ja.
Die Geburt des Nukleus


Hier kommt der Nukleus (Kern) ins Spiel. Hier ist er, mein Plan B, sagte Triers Kulturdezernent 2014. Mit einem neuen Konzept, neuen Machern und bescheidenem Budget wollte die Stadt Trier die historischen Stätten wieder stärker kulturell beleben. Diese jährliche Aufführung mit dem Arbeitstitel Nukleus sollte ab 2015 an das Mosel Musikfestival angedockt werden. Doch der als künstlerischer Leiter vorgesehene Ex-Intendant des Luxemburger Grand Théâtre, Frank Feitler, sagte wegen einer Erkrankung ab.
Die Folgen: Absage und Neuplanung. Die Inszenierung "NeroHero", die erste konkrete Erscheinungsform der Nukleus-Idee, sagte Egger mit fast denselben Worten ab, die sein Vorgänger Holkenbrink für die Antikenfestspiele benutzt hatte.
Leitlinien reifen lange

Der Dezernent und seine Dramen
Foto: Friedemann Vetter
 Thomas Egger (Bild rechts unten) hatte bei drei Veranstaltungsreihen mit Problemen zu kämpfen: Brot und Spiele (Bild oben, Schauspiel „Herkules und die Macht des Bösen“), Antikenfestspiele (Bild Mitte, Oper „Nerone“) und der Nukleus (Kern) des Mosel Musikfestivals (Bild links unten, „NeroHero“).TV-Fotos (4): Friedemann Vetter (3), Roland Morgen

Thomas Egger (Bild rechts unten) hatte bei drei Veranstaltungsreihen mit Problemen zu kämpfen: Brot und Spiele (Bild oben, Schauspiel „Herkules und die Macht des Bösen“), Antikenfestspiele (Bild Mitte, Oper „Nerone“) und der Nukleus (Kern) des Mosel Musikfestivals (Bild links unten, „NeroHero“).TV-Fotos (4): Friedemann Vetter (3), Roland Morgen

Foto: friedemann vetter (ve.), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"
Der Dezernent und seine Dramen
Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"


Die großen Events waren nicht die einzigen Probleme Eggers. 2011 beschloss der Stadtrat die Aufstellung von Kulturleitlinien. Volle drei Jahre später legte der Dezernent ein Papier vor. Bessere Kommunikation, besseres Marketing, mehr Unterstützung der freien Szene. Eine eher allgemeine Sammlung schöner Ziele und hoher Ideale, der man die drei Jahre Entstehungszeit nicht unbedingt ansah. Und gerade das Debakel um "NeroHero" führt die Punkte "bessere Kommunikation" und "besseres Marketing" ad absurdum.
Der Kulturdezernent als Chef, der seinen Laden im Griff hat - auch bei dieser Rolle tauchten Probleme auf. Den 2015 ausgebrochenen Machtkonflikt zwischen Theaterintendant Karl Sibelius und Generalmusikdirektor Victor Puhl ließ er zu lange laufen, bis die Lage eskalierte und die Trierer Kulturszene vor Entrüstung vibrierte. Als Egger schließlich eingriff, gab Sibelius zähneknirschend seinen Widerstand gegen den enorm beliebten Puhl auf.
Eggers Amtszeit läuft 2018 aus. Ob und wie es mit "NeroHero", dem Nukleus und generell dem Bespielen der antiken Stätten weitergeht, ist völlig offen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort