Interview „Der Titel Deutsche Weinkönigin ist ein Erbe des Dritten Reichs“

Trier/Traben-Trarbach · Für sein Buch „Wein ist Volksgetränk – Weinpropaganda im Dritten Reich“ hat Christof Krieger zehn Jahre lang recherchiert. Die Erforschung des Weinbaus in der Zeit des Hitler-Regimes und dessen Folgen sind für den Historiker aus Traben-Trarbach noch nicht abgeschlossen.

 Plakat zum „Fest der deutschen Traube und des Weines“ 1935.

Plakat zum „Fest der deutschen Traube und des Weines“ 1935.

Foto: Christoph Krieger/Sammlung Christoph Krieger

Weinpropaganda im Dritten Reich. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

CHRISTOF KRIEGER Als ich 2001 ein Thema für meine Magister-Abschlussarbeit an der Universität Trier suchte, hatte mich ein regionaler Historiker, der selbst einmal einen kurzen Aufsatz zu den NS-Weinpatenschaften verfasst hatte, darauf aufmerksam gemacht, dass dies wohl eine ‚interessante Sache‘ sein könne. Welches Forschungspotenzial dieser vermeintlich unspektakulären und allenfalls regionalgeschichtlich bedeutsamen Themenstellung tatsächlich innewohnt, haben damals wohl weder er noch ich geahnt. Als ich dann mit der Archivarbeit begonnen habe, war für mich schnell klar, dass ich meine Forschungen anschließend in einer Doktorarbeit vertiefen wollte.

Fotos aus einem dunklen Kapitel Weinbaugeschichte an der Mosel
10 Bilder

Fotos aus einem dunklen Kapitel Weinbaugeschichte an der Mosel

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Sie haben mehr als zehn Jahre lang für Ihre Arbeit recherchiert. Warum hat es so lange gedauert?

KRIEGER Zum einen natürlich wegen meiner beruflichen Verpflichtungen als Museumsleiter. Entscheidender war allerdings, dass ich ursprünglich ja nicht nur die NS-Weinpropaganda, sondern die nationalsozialistische Weinbaugeschichte insgesamt an Mosel, Saar und Ruwer aufarbeiten wollte. Ich bin dann immer wieder auf neue, unerforschte Fragestellungen gestoßen. Und als mein Manuskript schließlich 1000 Textseiten überschritten hatte, habe ich den Aspekt der Weinpropaganda dann als eigenständige Dissertation herausgelöst. Streng genommen verfüge ich somit jetzt noch über ein zweites Buch zur Weinbaupolitik und Weinmarktregelung im Dritten Reich.

Was ist die wichtigste neue Erkenntnis Ihrer Forschungsarbeit?

KRIEGER Praktisch alle Autoren, die sich etwa im Rahmen von Ortschroniken bislang mit dem Thema beschäftigt haben, sind der späteren Legende der NS-Pro­pa­gan­da erlegen. Die wollten die nationalsozialistische Weinpatenschaftsaktion rückblickend als Umsetzung eines ureigenen und stringenten Konzeptes des Hitlerstaates zur Überwindung der langjährigen Winzernot erscheinen lassen. So kann man etwa in einem noch 1998 erschienenen Aufsatz lesen: ‚Die bei den Winzern im Wort stehenden Nationalsozialisten säumten nicht, ihre Versprechen einzulösen.‘ – Doch das genaue Gegenteil war der Fall: Alle Versprechungen, mit denen die NSDAP in der sogenannten ‚Kampfzeit‘ in den Weinbauregionen auf Stimmenfang gegangen war, schienen mit dem Regierungsantritt Hitlers vergessen! Tatsächlich beruhte die NS-Wein­pro­pa­ga­nda auf nichts anderem als einer Verkettung ungewöhnlicher Zufälle und einer nur unter den spezifischen Bedingungen des NS-Staates möglichen Eigendynamik, an deren Anfang schlichtweg die Notwendigkeit der Unterbringung zweier Rekordweinernten stand.

Bei der Verbindung von Nationalsozialismus und Weinbau sind Sie vermutlich nicht immer auf Begeisterung gestoßen?

KRIEGER Da es vordergründig keine unpolitischere Sache als den Wein zu geben scheint, wurde ich anfänglich eher belächelt. Selbst in den Orten, in denen noch heute – oder genauer: heute wieder – eine Weinpatenschaft besteht, schien man allenfalls unterschwellig zu ahnen, dass deren Entstehung vielleicht doch etwas enger mit dem NS-Regime verknüpft ist. Erst nachdem ich mich nach Abschluss der eigentlichen Doktorarbeit 2015 mit der Entstehungsgeschichte der ‚Deutschen Weinstraße‘ in der Pfalz beschäftigt habe, erhielt ich nach einem Vortrag in Neustadt von dort erboste Zuschriften. Als ich im vergangenen Jahr dann selbst auch die –  1937 erstmals unter diesem Titel gekrönte – ,Deutsche Weinkönigin’ als ein Erbe des Dritten Reiches entlarvt habe, erntete ich schließlich im Internet einen ‚Shitstorm‘ übelster Art von rechter und rechtsradikaler Seite. Aber auch innerhalb der etablierten Weinbranche habe ich mir damit nicht nur Freunde gemacht.

 Der Historiker und Buchautor Christof Krieger.

Der Historiker und Buchautor Christof Krieger.

Foto: Trierischer Volksfreund/Veranstalter

Das Thema ist folglich also noch nicht abschließend behandelt? Wie sind Ihre weiteren Pläne?

KRIEGER Ich werde ganz sicher an dem Thema dranbleiben, zumal ja selbst auch die Wurzeln des ‚Deutschen Wein-Instituts‘ als der heute zentralen Weinmarketing-Institution Deutschlands weit vor 1945 zurückreichen. Die Veröffentlichung meiner Doktorarbeit wird sicherlich nicht die einzige Publikation zur Weinbaugeschichte des Dritten Reiches bleiben.

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