Derwisch am Schnürchen

TRIER. Nach vier Adventsvorstellungen hat sich Triers einziges Marionettentheater in eine lange Pause verabschiedet. Puppenspieler Helmut Rach zieht Bilanz: "Es kommen immer weniger Kinder zum Spiel." Doch beim Finale saßen die Zuschauer dicht gedrängt vor der selbst gebauten Bühne.

 Puppenspieler Helmut Rach hält die Fäden bei den "Zwirnzupfern" fest in der Hand.Foto: Regina Lüders

Puppenspieler Helmut Rach hält die Fäden bei den "Zwirnzupfern" fest in der Hand.Foto: Regina Lüders

Wie ein durchgedrehter Derwisch springt das kleine grüne Männchen durch das handgemalte Bühnenbild. Mit einem lauten, Feuer spuckenden Knall verwandelt es Stroh zu Gold: "Paff". Henry Hermesdorf reibt sich die Blitz geblendeten blauen Augen und hält den Arm von Mama Heike noch ein bisschen fester. Seit dem ersten Schauplatzwechsel reckt sich der Junge von deren Beinen, um ja nichts vom Geschehen rund um Rumpelstilzchen, den König und die schöne Müllerin zu verpassen. Sein dreijähriger Cousin Benjamin steht auf dem Platz daneben - regungslos, mit Riesenaugen - bis das Rätselraten um den Namen des fiesen Männchens losgeht: Lachen und rufen durchbricht das andächtige Lauschen der gut 80 Kinder und Erwachsenen im Mergener Hof: "Pfannkuchen", kommt als Namenstipp besonders gut an. Bei "Hinz und Kunz" kichert Benjamin fast so laut wie Rumpelstilzchen selber. "Paff" - noch einmal, als der wahre Name fällt, das Männchen vor Wut zu Konfetti zerplatzt und das Familienidyll auf drei mal zwei Metern gerettet ist. "Das ist eine Spielgröße - genau richtig für die kleinen Kinder. Nicht zu viel, nicht zu bunt, nicht zu laut, eine schöne nostalgische Form", findet Heike Hermesdorf. Tochter Pauline gefällt mit sieben Jahren dagegen schon "das richtige Theater" besser. Dabei ist alles liebevolle Handarbeit, was hier bei den "Zwirnzupfern" über den schmalen Steg wandert: Selbst geschnitzte Figuren und handgenähte Kostüme unterstützen eigens geschriebene und vertonte Dialoge für Märchenklassiker wie Hänsel und Gretel oder Fantasieprojekte wie Momo.Anerkennung von Kollegen

Selbst die Konkurrenz beteuert, dass die Trierer Qualität am Schnürchen liefern: "Pole Poppenspäler", der im Leben jenseits der Bühnen Günther Kremer heißt, ist aus Idar-Oberstein zur Vorstellung gekommen - zum ersten Mal, wie er sagt. Der alte Puppenspieler neigt anerkennend das schneeweiße Haupt: Noch eine aufwändige geheimnisvolle Guckkastenbühne habe man hier, bewundert er: "Aber die eigentliche Skala sind die Kinder, die zeigen, der kann's oder der kann's nicht". Hier seien sie ganz still und aufmerksam gewesen - "ein Riesenerfolg". Ach - wie gut, dass niemand weiß: So voll wie heute ist es nur selten. "Vom Puppenspiel kann man in Trier nicht mehr leben", beteuert Zwirnzupfer Helmut Rach traurig. Für ein Jahr wolle er den Vorhang nicht heben, bis die weitere Finanzierung geklärt sei.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort