"Die Zeit der neuen Sachlichkeit ist vorbei"

TRIER. Rund um den 27. Januar, dem nationalen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, gruppiert sich die Ausstellung und Veranstaltungsreihe "Verfemte Künstler". Am Donnerstagabend hielt Bärbel Schulte im Bischöflichen Dom- und DiözesanmuseumSimeonstift einen Vortrag über die Werkkunstschule Trier in der Nazizeit.

"In der ehemaligen Werkkunstschule sind in diesen Tagen keine Plakate über die Veranstaltungsreihe zu sehen", sagte der evangelische Studentenpfarrer Johannes Metzdorf-Schmithüsen zur Begrüßung der Zuhörer im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum. Solche Plakate würden vom aktuellen ästhetischen Konzept her einfach nicht in die Räumlichkeiten der heutigen Fachhochschule passen.Einem modernen und konsequenten künstlerischen Konzept unterstellt war auch die Werkkunstschule Trier. Doch in der Zeit, in der die Nationalsozialisten an der Macht waren, musste sich die Kunst mehr und mehr dem "bodenständigen" Handwerk unterordnen. Das erläuterte die Kunsthistorikerin und Amtsleiterin des städtischen Museums Simeonstift, Bärbel Schulte, in ihrem Vortrag. "Die Werkkunstschulen waren Lehranstalten für Gestaltung, die sich zum Ziel gesetzt hatten, freie und angewandte Kunst sowie handwerkliche und industrielle Formgebung gleichberechtigt zu unterrichten", so Bärbel Schulte.Die 1900 gegründete "Handwerker- und Kunstgewerbeschule" übernahm erfolgreich öffentliche Aufträge wie die Innenraumgestaltung der "Steipe". Das schürte den Neid der Handwerksbetriebe. Anfang der 30er-Jahre steuerte die Schule diesen Querelen entgegen, indem sie zu einem Zentrum für moderne christliche Kunst ausgebaut wurde. An dieser "Trierer Werkschule für christliche Kunst" wurde der niederrheinische Maler und Glasmaler Heinrich Dieckmann 1931 Direktor. Als Lehrbeauftragter verpflichtete er unter anderem die Trierer Maler Kat Becker, Reinhard Heß, Martin Mendgen und Fritz Quant sowie den aus Bonn stammenden Architekten Fritz Thoma - was wiederum die Trierer Architekten aus Angst vor Konkurrenz in Aufruhr versetzte.Die ersten Auswüchse der nationalsozialistischen Kulturpropaganda machten sich im Jahr 1933 bemerkbar, als sich Ernst Brand, ein ehemaliger Schüler, im "Trierer Nationalblatt" bei einer großen Ausstellung kirchlicher Werkkunst unter anderem über die "kalte Nüchternheit" und das "übertriebene Geschmäcklertum" ausließ. "Die Zeit der neuen Sachlichkeit ist vorbei", orakelte er.Noch im Dezember 1933 wurden die Handwerker- und Kunstgewerbeschulen umstrukturiert. Handwerksmeister wurden als Lehrer eingestellt, "Leibesübungen" in den Stundenplan aufgenommen. Der neue nationalsozialistische Oberbürgermeister Ludwig Christ empfahl Heinrich Dieckmann, sein Amt als Direktor niederzulegen. 1934 kündigte Dieckmann. In den folgenden Jahren wurde die Schule zur reinen "Handwerkerschule" umgewandelt - so lautete zwischen 1934 und 1938 auch ihr Name. Künstlerische Lehrkräfte wie Martin Mendgen, die sich nicht der neuen Richtung anpassten, mussten gehen. Auch der Architekt Fritz Thoma wurde entlassen. Trotzdem verbuchte die Schule seinen Erfolg bei der Weltausstellung in Paris 1937 als eigenen Verdienst. Ab 1938 sollte die "Meisterschule des Deutschen Handwerks" die "jungen Gesellen in nationalsozialistischer Ausrichtung auf werklichem, gestalterischem und wirtschaftlichem Gebiet zu echten Meistern ihres Handwerks machen". Die Trierer "Steipe" wurde erneut von der Schule umgestaltet. Dieses Mal zogen "altdeutsche" Möbel als "Güter einer wahren Wohnkultur" ein, wie sie der neue Direktor Wilhelm Miebach propagierte. In der Schule wurden in dieser Zeit hauptsächlich Grabmäler gestaltet.1943 bekam die Trierer Schule den Namen "Meisterschule für das gestaltende Handwerk". Da sie in Nord- und Westdeutschland die einzige nicht zerbombte Meisterschule war, strömten viele Schüler nach Trier. 1944 musste sie dann, stark beschädigt, doch geschlossen werden. Sie konnte erst im Dezember 1945 ihren Betrieb wieder aufnehmen."Viele der Lehrkräfte hatten sich zurückgemeldet", referierte Bärbel Schulte zum Schluss ihres Vortrags. Nach zwölf Jahren der Diktatur sei es nicht einfach gewesen, eine neue Richtung zu finden.Der Maler Reinhard Heß habe in einem Brief an den französischen Rééducationsoffizier Capitain Rufin gefordert, Heinrich Dieckmann zurück an die Schule zu holen, der "den Modellen die Badehosen ausgezogen", sich der modernen westlich-französischen Kunst immer nahe gefühlt und der Schule in den 30er-Jahren zu Ansehen verholfen habe. Das Schreiben zeigte Wirkung: Am 12. Februar hielt Dieckmann seine Antrittsrede in der "Trierer Werkschule - Schule für Kunst und Handwerk".

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