Ein Gebäude wird zum Mahnmal

Trier · Das markante Gebäude Christophstraße 1 wurde einst als Sitz der Eisenbahnverwaltung gebaut, heute beherbergt es neben Vereinen wie Palais und Nestwärme auch die Staatsanwaltschaft. Dass es in der NS-Zeit Sitz der Gestapo war, daran erinnert seit heute eine Gedenktafel sowie eine Ausstellung. Trier.

 Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer (links) und Oberbürgermeister Klaus Jensen bei der Enthüllung der Gedenktafel in der Christophstraße. TV-Foto: Frank Göbel

Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer (links) und Oberbürgermeister Klaus Jensen bei der Enthüllung der Gedenktafel in der Christophstraße. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. "Nichts Sichtbares erinnert mehr an die unrühmliche und leidvolle Geschichte des Gebäudes als Dienstsitz der Gestapo von 1935 bis 1944, als hinter den gleichen Mauern, hinter denen heute sozial engagiert und rechtschaffen gearbeitet wird, staatlich angeordnete Verbrechen begangen wurden." Als der Trierer Oberstaatsanwalt Peter Fritzen diesen Satz vor rund 150 interessierten Besuchern im Gebäude Christophstraße 1 ausspricht, ist er eigentlich schon nicht mehr wahr: Denn wenige Minuten zuvor hatte sein Vorgänger im Amt, Jürgen Brauer, heute Generalstaatsanwalt in Koblenz, eine Tafel an der Fassade enthüllt, deren Inschrift lautet: "Sitz der Gestapo Trier 1935 - 1944 - Im Gedenken an die Opfer, deren Leidensweg unter dem Nationalsozialismus hier begann".
Wissenschaftliche Aufarbeitung


Als Ende 2011 der Umzug der Staatsanwaltschaft in das Gebäude vollzogen wurde, das in den 1920er Jahren als Sitz der damaligen Reichsbahndirektion gebaut wurde, beschlich die Verantwortlichen spätestens Unwohlsein, als im Keller an einer Tür die Aufschrift "Gestapo" entdeckt wurde. Es sei schwer vorstellbar gewesen, die Staatsanwaltschaft an eine solche Stätte ziehen zu lassen, ohne sich deren Geschichte zu stellen, sagt Peter Fritzen. Es sei "Aufgabe von uns allen, Erinnerung an Stätten der Willkür und Gewaltherrschaft aufrecht zu erhalten und zu verhindern, dass kollektives Gedenken an die damalige Zeit trübe wird oder sogar verloren geht."
Er erklärt noch einmal, wie Jürgen Brauer Verbindung mit der Universität aufnahm, um die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung zu erörtern. Bald ein Dutzend studentische Abschlussarbeiten, verfasst unter der Leitung von Dr. Thomas Grotum, haben seitdem Einzelaspekte der Tätigkeit der Gestapo in Trier beleuchtet (der TV berichtete).
Die bisher gewonnenen Erkenntnisse können nun auch im Gebäude in der Christophstraße nachvollzogen werden: Mindestens ein Jahr lang beherbergt dessen Treppenaufgang eine Ausstellung, bestehend aus 14 Tafeln. Sie führen in die Thematik ein und zeigen das Personal der ehemaligen Staatspolizei und die Institutionen und Menschen, die seinerzeit im Visier der Gestapo standen - beispielsweise die unbeugsamen Widerständler der Familie Torgau. Als einer von 36 Menschen, die 1936 festgenommen werden, wird Willi Torgau als 23-Jähriger unter anderem wegen der Verbreitung von Flugblättern festgenommen und zu sieben Jahren Haft verurteilt - und nach dem Krieg für seine kommunistischen Tätigkeiten ein weiteres Mal bestraft: indem ihm die Haftentschädigung gestrichen wird.
Die Ausstellung "Die Gestapo Trier in der Christophstraße 1" kann werktags tagsüber besucht werden. Ein 24-seitiger Katalog zur Ausstellung ist für zwei Euro im Erdgeschoss im Café Balduin erhältlich.

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