Ein heikles Geschenk aus China für die Stadt Trier

Trier · Zu groß, zu sozialistisch, zu prominent platziert: Triers Kommunalpolitiker äußern sich kritisch zur Karl-Marx-Statue, die China der Stadt schenken will. Oberbürgermeister Wolfram Leibe will den Stadtrat über die Annahme des Geschenks abstimmen lassen - und reist am 31. Oktober zum chinesischen Botschafter nach Berlin.

 Stellprobe auf dem Simeonstiftplatz: Vor der hohen Fassade, die zum alten Gebäude des Stadtmuseums gehört, soll die 6,30-Meter-Statue aufgestellt werden. Mit einem Holzgestell haben sich Bauamt und Denkmalpflege im September einen Eindruck von den Höheverhältnissen gemacht. Foto: Presseamt Trier

Stellprobe auf dem Simeonstiftplatz: Vor der hohen Fassade, die zum alten Gebäude des Stadtmuseums gehört, soll die 6,30-Meter-Statue aufgestellt werden. Mit einem Holzgestell haben sich Bauamt und Denkmalpflege im September einen Eindruck von den Höheverhältnissen gemacht. Foto: Presseamt Trier

Wer schon einmal auf dem Fünf-Meter-Sprungturm im Trier Südbad gestanden hat weiß: Das ist hoch. Die Karl-Marx-Statue, die die Volksrepublik China Trier zum Marx-Jubiläumsjahr 2018 schenken will, ist noch einmal 1,30 Meter höher. Sechsmeterdreißig also. Weil am ursprünglich vorgesehenen Platz in der Brückenstraße - vis a vis des Geburtshauses des größten Sohns der Stadt - für ein Monument solchen Ausmaßes kein Platz ist, soll das Denkmal auf dem Simeonstiftplatz aufgestellt werden. Über die Größe und den neu ausgewählten Platz hat Dezernent Andreas Ludwig seinen Bauausschuss erstmals am 21. September informiert (der TV berichtete). Zur vorherigen Standprobe auf dem Simeonstiftplatz mit einem 6,50 Meter hohen Holzgerüst waren weder Vertreter des Stadtrats eingeladen noch die Presse.

Ein Teil des Stadtrats fühlt sich nicht nur überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt. Die FDP lehnt die Statue am Simeonstiftplatz rundweg ab, auch CDU und AfD legen Veto ein, und die Grünen halten zumindest den Standort Simeonstiftplatz für diskussionswürdig.

Im Stadtvorstand ist man sich der Explosionskraft der Sache durchaus bewusst. Oberbürgermeister Wolfram Leibe will nach TV-Informationen den Stadtrat nun doch noch darüber abstimmen lassen, ob dieser das große Geschenk der Volksrepublik überhaupt annehmen will. "Obwohl eine Ablehnung wohl zu diplomatischen Verstimmungen bis in die obersten Etagen führen würde", sagt ein Insider.
Zurzeit weilt der Oberbürgermeister auf einer Besuchsreise in Triers japanischer Partnerstadt Nagaoka und könne in Sachen Karl-Marx-Statue für eine persönliche Stellungnahme nicht erreicht werden, erklärt Rathaus-Pressesprecher Hans-Günther Lanfer. Nach seiner Rückkehr will Leibe nach TV-Informationen mit dem chinesischen Generalkonsul Gespräche aufnehmen, am 31. Oktober hat er einen Termin beim chinesischen Botschafter in Berlin.

Baudezernent Ludwig betont, dass auch er den Kontakt zum chinesischen Künstler Wu Weishan sucht. "Denn natürlich haben wir die Ängste der Bürger wahrgenommen, dass das eine verherrlichende Statue im Stil des sozialistischen Realismus' werden könnte. Aber das glaube ich nicht. Ich denke, dass Weishan sich mit Marx künstlerisch-kritisch auseinandersetzen wird - und das in dem Kunstwerk zum Ausdruck bringt. Trotzdem wollen wir über die Bedenken der Trierer mit ihm in Dialog treten."
Größe und Standort soll bei diesen Gesprächen allerdings nicht mehr zur Disposition stehen. "Die Denkmalpflege, alle Bauexperten, mit denen wir gesprochen haben, der Oberbürgermeister und ich halten den Simeonstiftplatz absolut für geeignet", sagt Ludwig.
Dass Trier von China überhaupt ein so großes Geschenk empfängt, macht Ludwig ebenfalls keine Probleme: "Auch von Diktaturen kann man Geschenke annehmen, wenn diese als freundliche Geste gemeint sind - und da habe ich bei dieser Statue für die Geburtsstadt von Karl Marx keine Bedenken."
Meinung

Zu spät
Christiane Wolff

Der richtige Zeitpunkt, um zu entscheiden, ob Trier grundsätzlich ein so bedeutendes, symbolträchtiges Geschenk aus China anehmen will oder nicht, wäre vor einem Jahr gewesen, als die Volksrepublik mit diesem Ansinnen auf die Stadt zukam. Doch damals hat offenbar daran niemand einen Gedanken verschwendet. Jetzt ist es zu spät für ein taktvolles Nein - es sei denn, man gibt nichts auf diplomatische Beziehungen. Aber dann kann Trier auch gleich seine Städtepartnerschaft mit Xiamen mit aufkündigen.
c.wolff@volksfreund.de

Die Meinungen der Stadtratsfraktionen in Kurzform

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