Ein Zwerg aus 1000 Tonnen Stahl

TRIER. Das in diesen Ausmaßen größte Binnengüterschiff, dass je in einer deutschen Binnenwerft gebaut wurde, läuft am Mittwoch in der Trierer Werft Boost vom Stapel. Sein Name: Lutin (Zwerg) Damit enden die zehn Jahre, in denen kein neuer Schiffskörper in Trier gebaut wurde.

Beinahe senkrecht ragen die vier Meter hohen Stahlwände der Lutin in die Höhe. Riesig und ein bisschen bedrohlich wirkt das 4500-Tonnen-Lastschiff, das in der Trierer Werft Boost auf der Helling-Anlage am Moselufer liegt. Mit Schweißgeräten und Schleifhexen geben die Werftarbeiter dem Stahlriesen den letzten Schliff. Feinsäuberlich wird der Kiel gestrichen - per Hand. "Nur die großen, ebenen Flächen spritzen wir mit Maschinen", sagt Schiffbauingenieur und Werftinhaber Rüdiger Boost. "Unsere Mannschaft hat hervorragende Arbeit geleistet", sagt er. Und auch, wenn er die Angelegenheit nicht zu hoch hängen will, ist ihm der Stolz auf den großen Fang anzumerken. Schließlich ist die Lutin das längste Binnenmotorschiff, dass je in Deutschland gebaut wurde. Und das erste in Trier nach zehn Jahren überhaupt.Osteuropa und China beherrschen den Markt

"1994 wurde bei uns das letzte neue Schiff gebaut", sagt Boost. Dann, mit der Öffnung des Marktes nach Osteuropa, sei die Nachfrage nach neuen Schiffen in ganz Deutschland eingebrochen. "Auftraggeber, besonders niederländische, gibt es zwar, aber gefertigt wird in Billiglohnländern in Osteuropa oder sogar in China." Mit 28 Jahren hat Rüdiger das Unternehmen 1991 von seinem Vater Ernst-Eugen übernommen. Dessen Vater Hans Boost hatte die Werft 1920 gegründet. "Schöne Schiffe wurden in den 60ern hier gebaut", schwärmt der 41-jährige heutige Inhaber Rüdiger Boost von der Glanzzeit des Unternehmens. "Damals waren 275 Menschen hier beschäftigt und die Auftragsbücher voll." Als der Markt sich verschlechterte, baute Rüdiger Boost in den 90ern andere Standbeine des Unternehmens weiter aus: die Sanierung und Reparatur von Schiffen, deren Konstruktion für andere Werften und schiffsfremde Arbeiten, wie die Reparatur von Produktionsmaschinen für regionale Firmen, sicherten das Überleben der Werft. "Viele Aufträge hatten wir der öffentlichen Hand", erzählt Boost, "dann mussten auch Schifffahrtsämter und Bundeswehr sparen und deren Reparaturaufträge etwa für Baggerschiffe gingen zurück." Als das holländische Familienunternehmen Vranken, für das die Boost-Werft bereits zwei Schiffe entworfen hatte, die in den Niederlanden gebaut wurden, Anfang 2004 anfragte, ob die Trierer Werft diesmal nicht Konstruktion und Bau übernehmen könnte, griff Boost die Gelegenheit beim Schopf: "Wir mussten zwar einiges in neue Anlagen und Maschinen investieren, wollten aber auf den geänderten Markt reagieren." Die Mannschaft wurde von 45 auf 60 Leute aufgestockt, die Helling - die Anlage, auf der das Schiff gebaut wird - verlängert, ein Kran angeschafft, mobile Hallen gebaut. Und Schiffsbaumeister Wilhelm Löns, der seit über 40 Jahren bei der Werft beschäftig ist, bekam nochmal richtig viel zu tun: Nach den Plänen von Boost und seiner Konstruktionsabteilung wurden 1000 Tonnen deutscher Stahl verarbeitet. Verbesserte, stromlinienförmig Formen, hochwertige Verarbeitung, optimierte Tragfähigkeit: "Es gibt Kunden, die für diese Qualität bereit sind zu zahlen", sagt Boost. Immerhin kostet die Lutin rund 20 Prozent mehr als ein in Osteuropa gefertigtes Schiff. Folgeaufträge an Bord gezogen

Von einer Trendwende möchte der Werftinhaber allerdings nicht sprechen. "Der Markt wird sich nicht erholen, das Gros wird weiter in Billiglohnländern gebaut werden. Aber wir haben eine Nische gefunden, die wir ausfüllen wollen." Ein zweites, baugleiches Schiff hat die holländische Schiffer-Familie bereits bei der Werft in Auftrag gegeben. "Und ein Angebot für ein drittes Schiff im Jahr 2007 haben wir bei einem anderen Interessenten eingereicht." Am Mittwoch wird die Lutin, was im Flämischen soviel wie Zwerg oder Gnom bedeutet, über die Schienenwagen der Helling in die Mosel gelassen. "Und am Donnerstag fangen wir mit dem Bau des zweiten neuen Schiffes an", sagt Boost und stemmt die Fäuste in die Hüfte. "Endlich sind wir wieder zu unserem Ursprung zurückgekehrt."

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