Eine Zeitreise drei Meter unter die Erde - Archäologische Untersuchungen des römischen Nordfriedhofs in Trier

Trier · Das Landesmuseum untersucht ab Februar neun Monate lang das ehemalige Friedrich-Grundstück in der Paulinstraße. Es ist das erste Mal in Trier, dass großflächig auf dem Areal eines römischen Friedhofs gegraben wird. Entsprechend hoch sind die Erwartungen.

Trier. Mit 50 000 Einwohnern zählte Treveris, wie Trier im 4. Jahrhundert hieß, zu den zehn größten Städten im römischen Imperium. Wo viele Menschen lebten, bedurfte es großer Friedhöfe. Trier hatte zwei ausgedehnte Gräberfelder, die den antiken Gepflogenheiten entsprechend außerhalb der Stadt lagen. Aber an exponierter Stelle entlang der großen Ausfallstraßen. Die im Norden führte nach Mainz und Andernach, die im Süden nach Metz und weiter nach Südfrankreich.Viele Häuser stehen auf Gräbern


So weit, so bekannt. Dennoch gelten die großen Römerfriedhöfe mit ihren prachtvollen Grabdenkmälern als "große Unbekannte" der Stadtgeschichte. Nur rund 2000 Bestattungen sind bisher dokumentiert. Das liegt vor allem daran, dass es bisher fast ausschließlich punktuelle Untersuchungen in Trier gab. Denn die großen Stadterweiterungen des 19. Jahrhunderts überrollten auch die Areale, auf denen Zehntausende Bewohner des römischen Trier beigesetzt worden waren. Anders ausgedrückt: Viele Häuser der Nord- und Südstadt stehen auf Gräbern. Die Archäologen kommen allenfalls zum Zuge, wenn Neubauprojekte anstehen. So wie jetzt auf der Brache des früheren Friedrich-Geländes in der Paulinstraße, auf dem das Immobilienunternehmen Ifa (Schillingen) einen Neubaukomplex errichten will.

Wie in den Trierer Grabungsschutzgebieten üblich, wird das Areal im Vorfeld vom Landesmuseum untersucht. Auf Grabungsleiter Joachim Hupe (50) und sein Team wartet eine spannende Aufgabe: "Das Areal umfasst 2300 Quadratmeter und liegt mitten im nördlichen Gräberfeld. Es ist das erste Mal, dass wir eine so große Friedhofsfläche systematisch untersuchen", sagt Hupe. Anfang Februar soll es losgehen. Gemäß Vertrag mit dem Investor haben die Landesmuseums-Leute Zeit bis Oktober. Dass sie fündig werden, gilt als sicher. Hupe: "Die Grabung reicht bis in 3,50 Meter Tiefe, also noch etwas tiefer als die ältesten Gräber und auch tiefer als die neuzeitlichen Keller an der Paulinstraße."

Vermutlich werden die Archäologen auf mehrere Schichten von Bestattungen treffen. Auf Urnen mit den Resten verbrannter Leichname und eventuell Beigaben wie Fibeln oder Salbfläschchen, auf Körpergräber, bei denen möglicherweise die Skelette noch weitgehend erhalten sind, vielleicht auch auf Sarkophage. Fundamente von Grabbauten und Inschriftentafeln dürften ebenfalls zu Tage kommen.

Gut für die Wissenschaftler: Der größte Teil des Areals blieb nach der Antike unbebaut und hat auch keine Kriegsschäden erlitten. "Möglicherweise ist dort im Mittelalter nach Sand gegraben worden, aber wir gehen davon aus, dass der westliche Teil des Geländes weitgehend unberührt ist", sagt Hupe. Von der Grabung verspricht er sich einen "sehr hohen wissenschaftlichen Ertrag. Wir werden viel über das Leben und Sterben in der Römerstadt erfahren, über soziale Strukturen, über Familienclans, die möglicherweise über Generationen auch im Tod zusammenblieben, über Bestattungsrituale und vielleicht auch über Todesursachen."Auf der Suche nach der Straße


Außerdem ist Hupe "sehr gespannt, ob wir die nördliche Ausfallstraße zumindest anschneiden". Denn nach bisherigem Kenntnisstand wurde die Straße beim Bau der Stadtmauer und der Porta Nigra im späten zweiten Jahrhundert um etwa 20 Meter nach Westen verlegt. Genau auf die Porta ausgerichtet, müsste sie auf dem Friedrich-Gelände zu finden sein. "Wenn nicht", so Hupe, "dann sind unsere bisherigen Erkenntnisse über den Haufen geworfen."

sDamit nicht genug der Gräberfeld-Grabungen: Rund einen halben Kilometer weiter östlich hat das Landesmuseum demnächst einen weiteren archäologischen Einsatz. Zwischen Alkuin- und Thebäerstraße will die Firma K1-Bauprojekt (Nonnweiler-Otzenhausen) den "Thebäerhof"; eine Anlage mit 24 Eigentumswohnungen, bauen. Dort bekommen es die Archäologen mit zwei Flächen von je 200 Quadratmetern zu tun. Die Untersuchungen sollen Mitte Februar beginnen und drei Monate dauern. Hupe erwartet "ausnahmslos Körperbestattungen", weil dieser Teil des Römerfriedhofs erst ab der Spätantike genutzt wurde, als Brandbestattungen aus der Mode gekommen waren, und als Körperbestattungen auch im aufkommendem Christentum Usus waren.

Ein gutes Beispiel dafür bietet die ganz in der Nähe gelegene ehemalige Abteikirche St. Maximin. Sie erhebt sich über dem Grab des populären Bischofs Maximin (Amtszeit 329 bis 346) und steht auf 1000 Steinsarkophagen von Anhängern, die sich möglichst nah beisetzen ließen, weil sie b ei der Wiederauferstehung am Jüngsten Tag auf seine Fürsprache hofften.Extra

 Trauerzug vor dem Marstor, das seit dem Mittelalter Porta Nigra heißt: So dürfte es vor 1800 Jahren auf dem nördlichen Gräberfeld ausgesehen haben. Direkt an der Straße ließen sich Reiche und Prominente beisetzen. Zeichung: Lambert Dahm, einst wissenschaftlicher Zeichner des Landesmuseums

Trauerzug vor dem Marstor, das seit dem Mittelalter Porta Nigra heißt: So dürfte es vor 1800 Jahren auf dem nördlichen Gräberfeld ausgesehen haben. Direkt an der Straße ließen sich Reiche und Prominente beisetzen. Zeichung: Lambert Dahm, einst wissenschaftlicher Zeichner des Landesmuseums

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Das so genannte Friedrich-Grundstück (Paulinstraße 20 bis 24) gehörte lange dem Familienunternehmen Friedrich (Fliesen-Zentrum), das dort einst einen großen Neubau plante. Nachdem sich diverse Varianten (Hotel, Wohnkomplex) zerschlagen hatten, ließen die Friedrichs 2004/05 die drei historischen, aber nicht unter Denkmalschutz stehenden Häuser abreißen. Zehn Jahre lang wurde die Brache als Parkplatz genutzt. Jetzt plant das Schillinger Immobilienunternehmen Ifa dort einen großen Neubau. rm.

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