Für die Opfer

TRIER. Über die Täter redet alle Welt. Was in den Opfern vorgeht, weiß kaum jemand. Der Weiße Ring kümmert sich um die, die bei Straftaten materiell und seelisch geschädigt wurden. Wie zum Beispiel die Opfer des Tankstellenüberfalls in Konz.

 Engagiert für Verbrechens-Opfer: Claus Bermes:Foto: Martin Möller

Engagiert für Verbrechens-Opfer: Claus Bermes:Foto: Martin Möller

"Ein ganzes Berufsleben lang hatte ich mit den Tätern zu tun." Claus Bermes (Foto) gehörte zu denen, die Verbrechen professionell bekämpfen. Im Jahr 1959 trat er in den Polizeidienst ein, zehn Jahre später wurde er Kriminalbeamter. Und hat bis zu seiner Pensionierung 1996 erlebt, wie das Gesetz alle die schützt, auf die ein Tatverdacht fällt: Ihnen werden Anwälte zugeordnet, sie haben alle Möglichkeiten zur Selbstverteidigung einschließlich der Aussageverweigerung, sie können sich vor Gericht darstellen. Damit keine Zweifel bleiben: Diese Vorteile gehören zu einem rechtsstaatlichen Verfahren. Es soll verhindern, dass Unschuldige in die Mühlen der Justiz geraten. Trotzdem hat Bermes immer wieder festgestellt, dass zwischen der Behandlung der Täter und dem Umgang mit dem Opfer ein Missverhältnis besteht. Während sich, von der Polizei über Staatsanwälte und Verteidiger bis hin zu den Richtern aller Instanzen, ein großer Apparat mit dem Tatverdächtigen befasst, wird das Opfer von den staatlichen Einrichtungen allein gelassen. Meist muss es bei Polizei und später bei Gericht seine Aussagen machen und darf dann den Heimweg antreten.Seelische Belastung ist oft die schlimmere

Darum hat Claus Bermes vor 15 Jahren ein Ehrenamt beim Weißen Ring übernommen. Und engagiert sich, inzwischen längst pensioniert, immer noch für die, die durch Verbrechen Verletzungen davontrugen - nicht nur körperliche. Die seelische Belastung erweist sich oft als die schlimmere. Eduard Zimmermann, der mit der Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" Fahndungserfolge erzielte und dem ZDF hohe Einschaltquoten sicherte, gründete 1976 mit anderen engagierten Menschen den Weißen Ring. Heute arbeiten rund 2700 ehrenamtliche Mitarbeiter für den Opferschutz, und zu den rund 65 000 Mitgliedern kommen mehr als 200 000 Förderer. Wer Hilfe sucht, findet sie bei 400 Anlaufstellen in ganz Deutschland. Für Trier und Trier-Saarburg leitet Claus Bermes eine solche Stelle. Fünf Mitarbeiter stehen ihm zur Seite - ehrenamtlich, versteht sich. Der Weiße Ring steht dem einsamen Opfer zur Seite. Er ermöglicht eine kostenlose Erstberatung beim Anwalt, übernimmt weitere Anwaltskosten, wenn es um die Durchsetzung von Opferschutzrechten geht, stellt einen "Scheck" für die kostenlose medizinisch-psychologische Beratung aus.Einfach reden

Und vor allem: Die Mitarbeiter stehen als vertrauliche Gesprächspartner zur Verfügung. "Bei Sexualstraftaten wollen die Frauen einfach reden", sagt Bermes. Die "Traumatisierung", die seelische Beschädigung der Opfer, ist eine der schlimmsten Folgen eines Verbrechens. Wenn es zum Prozess kommt und das Opfer als Zeuge oder Nebenkläger auftritt, sorgt der Weiße Ring für einen Begleiter. Als am 20. Juni die Tankstelle in Konz überfallen wurde und der mittlerweile gefasste Täter zwei schwer schockierte Angestellte hinterließ, traf sich Bermes mit einem der Geschädigten, sprach mit ihm, überreichte einen Beratungsscheck für den Anwalt. Nebenkläger beim Strafprozess? Das wolle er nicht werden, sagt der Mitarbeiter. Erstens, weil unter Umständen dann Anwaltskosten auf ihn zukommen. Und dann, ungleich wichtiger: Er habe Frau und Familie. Denen könnte ein Auftritt vor Gericht weiteren Schaden zufügen. Also keine Nebenklage, keine Aktionen. Ruhe, unauffällig bleiben, sich erholen von dem schockierenden Erlebnis. Ein Misserfolg für den Weißen Ring? Nein, sagt Bermes. Das Opfer allein bestimmt, wie weit die Organisation mitgeht. Sie gibt Hilfestellung, schnell, aber ohne moralische Verpflichtungen für die, denen geholfen wird. Sie zwingt nicht zu normierten Verhaltensweisen. Zwischen 30 und 50 Fälle betreut die Trierer Anlaufstelle im Jahr. Das Spendenaufkommen stagniert, und Bußgelder muss sich die Organisation mit anderen teilen. Sie gehen sogar zurück. Zudem hat auch der Weiße Ring ein demographisches Problem. Immer weniger junge Leute können sich vorstellen, was es heißt, zum Objekt von Verbrechen zu werden. Weitere Informationen: Claus Bermes, Residenzstraße 2, 54293 Trier, Telefon 0651/6860799, oder im Internet unter www.weisser-ring.de. Der "Weiße Ring" wird auf der Moselland-Austellung vom 17. bis 25. September mit einem Stand vertreten sein.

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