"Ich bin ein unverbesserlicher Demokrat"

Seit einem Jahr ist Klaus Jensen Oberbürgermeister. Im Interview mit dem Trierischen Volksfreund zieht der 56-Jährige eine Zwischenbilanz seiner Arbeit, spricht über Symbolpolitik, Enttäuschungen und Glücksmomente und sagt, warum er sich für ein gutes Stadtoberhaupt hält.

 Zieht eine positive Bilanz seines ersten Jahres im Amt des Oberbürgermeisters: Klaus Jensen. TV-Foto: Roland Morgen

Zieht eine positive Bilanz seines ersten Jahres im Amt des Oberbürgermeisters: Klaus Jensen. TV-Foto: Roland Morgen

Trier. (rm.) TV-Redakteur Roland Morgen sprach mit Jensen über die ersten 365 Tage seiner achtjährigen Amtszeit.Kann es sein, dass bei Ihnen seit Anfang April 2007 einige graue Haare dazugekommen sind?Jensen: Stimmt, aber das hat nichts mit meinem Beruf zu tun. Die Tendenz war schon vorher da. Ich betrachte das auch nicht als Problem. Lieber graue Haare als gar keine.Sie bereuen es also nicht, Triers Stadtoberhaupt und Rathaus-Chef zu sein?Jensen: Ganz im Gegenteil. Ich sehe mich in meiner Entscheidung bestätigt, OB werden zu wollen.Deckt sich die Arbeits-Realität mit den Vorstellungen, die Sie vor Amts-Antritt hatten. Oder gibt es vielleicht doch Situationen, in denen Sie denken: Das hätte ich mir besser nicht angetan?Jensen: Zugegeben, manchmal wundere ich mich schon über gewisse Dinge oder Prozesse. Aber Rückschläge oder Resignation kann ich nicht vermelden. Wenn etwas nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann betrachte ich das erst recht als Herausforderung.Demnach betrachten Sie es als Herausforderung, wenn die Stadtrats-Mehrheit Ihnen die Gefolgschaft versagt, wie etwa in der Frage der Beteiligung der Stadtwerke am Kohlekraftwerk in Hamm?Jensen: Ja. Ich war bekanntermaßen dagegen, viele Experten ebenfalls. Dennoch hat die Ratsmehrheit den Weg für eine Beteiligung geebnet. Ich ziehe für mich daraus den Schluss, dass ich in vergleichbaren künftigen Fällen mehr Überzeugungsarbeit dagegenhalten muss.Glauben Sie nicht, dass manche Ratsentscheidungen von parteipolitischem Kalkül geprägt sind?Jensen: Um beim Beispiel Kohlekraftwerk zu bleiben: nein! Die CDU im Mainzer Stadtrat hat in einer ähnlichen Frage dagegen gestimmt.Und wie steht es bei Trier-spezifischen Punkten wie beispielsweise der Aulstraßen-Brücke?Jensen: Das ist in der Tat merkwürdig und mir unerklärlich, wieso eine Ratsmehrheit aus CDU und UBM der Baudezernentin und dem Oberbürgermeister den Wunsch abschlagen, die Entscheidung um einige Wochen zu verschieben. Das schmerzt sehr.Vielleicht wurde ja genau das bezweckt.Jensen: Das glaube ich nicht. Denn genau so wie den OB trifft es ja die Stadtteile Heiligkreuz, Feyen/Weismark und Trier-Süd und deren Ortsbeiräte. Einen grundsätzlichen Kurs gegen den OB sehe ich nicht.Dennoch werden Sie oft hinter vorgehaltener Hand gerne kritisiert und Ihre "Symbolpolitik" nach dem Motto "der soll gefälligst anpacken, statt schöngeistig herumzumoderieren" abgetan.Jensen: Ich habe nie gesagt, ich mache ausschließlich Symbolpolitik, ich betrachte sie aber als Basis für notwendige Veränderungen. Ich sehe nichts Falsches daran, wenn ich mir eine Stadtbus-Jahreskarte kaufe und sie auch nutze. Solche Symbole sind eine Ergänzung zur Realpolitik. Ich habe den Eindruck, heute wird über den öffentlichen Personen-Nahverkehr anders diskutiert als vor einem Jahr. Es ist mir auch wichtig, dort hinzugehen, wo sonst wenige Offizielle hingehen: Ich bin der erste OB, der das Multikulturelle Zentrum besucht hat. Eben weil es mir wichtig ist, die Menschen in unserer Stadt zu motivieren.Wie motiviert der OB im Rathaus?Jensen: Ich schließe in diesen Tagen meine Besuchs-Tour durch alle Ämter der Stadtverwaltung ab und werde dann mit allen 1400 Beschäftigten gesprochen haben. Was waren die Glücksmomente in Ihrem ersten Amtsjahr?Jensen: Oje, da gibt es so erfreulich viele. Einige davon hat die Konstantin-Ausstellung gebracht, die so unglaublich erfolgreich für Trier gelaufen ist. Aber es beglückt mich auch, wenn ich Menschen helfen kann, die mit ihren Anliegen in meine Bürgersprechstunde kommen.Und wie sieht es mit Enttäuschungen aus?Jensen: Das waren Abstimmungsniederlagen wie bei der Aulstraßen-Brücke. Aber auch die geplatzte Sparkassen-Fusion Trier/Bitburg-Prüm. Es ist mir immer noch unbegreiflich, wie Michael Billen als Retourkutsche für den Trierer Ausstieg aus dem Flugplatz Bitburg die geleistete gute Vorarbeit zunichtegemacht hat. Einfach schade für alle Beteiligten.Wie gehen Sie mit Abstimmungsniederlagen um?Jensen: Wer von mir erwartet, ich würde dann als beleidigte Leberwurst herumlaufen, der irrt. Ich fühle mich verpflichtet, gefasste Mehrheitsbeschlüsse umzusetzen. Ich bin ein unverbesserlicher Demokrat.Auch als einsamer Rufer in der Wüste? Sie haben in ihrer Rede beim Neujahrsempfang die Parteien gebeten, 2008 noch keinen Kommunalwahlkampf zu betreiben. Tatsächlich aber ist der längst entbrannt, obwohl erst im Juni 2009 gewählt wird.Jensen: Das stimmt leider, und das ist nicht gut für unsere Stadt. Der völlig verfrühte Wahlkampf ist dem politischen Klima und der Weiterentwicklung Triers nicht förderlich.Und wie steht es mit OB Jensen - ist der gut für Trier?Jensen (lacht): Da bin ich mir sehr sicher und stehe mit dieser Auffassung nicht alleine: Ich erhalte sehr viel positive Resonanz auf meine Arbeit. Gibt es gute Vorsätze für Ihr zweites OB-Jahr?Jensen: Ja: Konsequent meine Linie beizubehalten und das, was ich eingeleitet habe, ebenso konsequent umzusetzen.

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