Im Westen was Neues

Trier · Neun große Mehrfamilienhäuser sollen innerhalb der nächsten Jahre auf dem ehemaligen Eisenbahnausbesserungwerk in Trier-West entstehen. Auch die denkmalgeschützte Lokrichthalle soll in ein Wohnhaus verwandelt werden.

Trier. Im Sport nennt man es Tempo-Macher, wenn ein starker einen anderen Läufer zu Leistung motiviert. Ähnliches passiert gerade auf den benachbarten ehemaligen Industrieflächen Bobinet und Eisenbahnausbesserungswerk in Trier-West.
Während es auf Tartanbahnen oder an Bergstrecken oft um Sekundenbruchteile geht, muss bei der Entwicklung des alten Bahngeländes zwar immer noch in langen Zeiträumen gerechnet werden. Aber nach einem Stillstand seit Mitte der 1980er-Jahre (siehe Extra) ist die Verwandlung des Areals in ein modernes Wohn- und Gewerbeviertel jetzt absehbar.
Tempo-Macher ist die Trierer Entwicklungsgesellschaft EGP. Die hatte im Sommer 2010 das angrenzende, stillgelegte Bobinet-Gelände gekauft und sofort losgelegt. In die sanierten Gewerbehallen hat als erster Mieter ein Architekt sein Büro eröffnet. Ab August ziehen die Bewohner in ihre modernen Loftwohnungen ein, die in einem weiteren, bereits sanierten Hallenkomplex eingebaut wurden. Der Schwung der EGP hat Erland Knaf mitgezogen. Der hatte das benachbarte Eisenbahngelände 2002 gekauft, seitdem aber nur eine kleinere Randfläche des mehr als 100 000 Quadratmeter großen Geländes bebaut und verkauft. Danach herrschte Stillstand. Unter anderem, weil der Eifeler Bauunternehmer und die Stadt sich erbittert um die Nutzung des Geländes stritten.
Knaf wollte gerne großflächigen Einzelhandel ansiedeln - Ikea, der Sportdiscounter Decathlon und Baumarktriese Obi hatten Interesse gezeigt. Triers Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani blieb allerdings hart: Das Gelände solle zum schmucken, belebten Wohnviertel avancieren und so den ganzen Stadtteil nach vorne bringen.
Erst als sich die EGP vor zwei Jahren einschaltete, kam wieder Bewegung in die Angelegenheit. Knaf zog seine Klagen zurück. Die Parteien entwickelten gemeinsam einen Bebauungsplan, den der Trie rer Stadtrat abgesegnet hat.
Der Bebauungsplan teilt das einstigeBahngelände in drei Entwicklungsgebiete auf.

Gebiet 1: Neben dem Aldi-Markt an der Eurener Straße und dahinter, bis zur alten Lokrichthalle, sollen auf einem fast 24 000 Quadratmeter großen Gelände neun Wohnhäuser gebaut werden. "Da werden rund 400 Wohnungen entstehen", sagt Knaf. Die Gespräche mit Investoren - immerhin sind es rund 80 Millionen Euro, die die Wohnbebauung kosten wird - liefen seit längerem. Damit die Entwicklung nicht wieder ins Stocken gerät, hat die Stadtverwaltung im Bebauungsplan verfügt, dass bis Frühjahr 2016 die Baupläne fertig und der Bauantrag eingereicht sein muss, sonst drohen Vertragsstrafen.

Gebiet 2: Die alte, 170 mal 85 Meter große Lokrichthalle, die unter Denkmalschutz steht, soll teilweise saniert werden. Die alten Sandsteinfassaden will Knaf erhalten und instand setzen und im Inneren - nach dem Haus-im-Haus-Prinzip - neue Strukturen schaffen. Vorrangig sollen laut Bebauungsplan Wohnungen entstehen. Auch Gewerbe zur direkten Versorgung des Quartiers ist zulässig. Erland Knaf: "Ich könnte mir zum Beispiel unterschiedliche Wohnformen für Senioren vorstellen und Dienstleister oder Gewerbe aus dem medizinischen Bereich."

Gebiet 3: Der dritte Abschnitt des Bebauungsplans umfasst ein an das Bobinet-Gelände angrenzendes Areal mit alten Hallen, das als Mischgebiet für Gewerbe und Wohnen ausgewiesen ist. Zwei Hallen sollen abgerissen werden, drei Hallen werden saniert.
Erland Knaf ist froh, sich endlich mit der Stadtverwaltung einig geworden zu sein. Er sagt: "Im Nachhinein bin ich Simone Kaes-Torchiani sogar dankbar, dass sie ihre Linie hart verfolgt hat. Wohnen ist die richtige Lösung für das Gelände und die alte Lokrichthalle - davon bin ich mittlerweile überzeugt."Extra

In den 1950er Jahren arbeiten rund 1500 Menschen im Eisenbahn-Ausbesserungswerk in Trier-West. 1986 schließt die Bahn das Werk, mehrere Gesellschaften und Investoren beißen sich in den folgenden Jahren die Zähne an der riesigen Industriebrache aus. 2003 kauft der Eifeler Bauunternehmer Erland Knaf das Areal. Per Gericht setzt Knaf 2007 den Bau eines Aldi-Discounters gegen die Stadt durch. Im Februar2010 legt die Stadt einen Masterplan mit verbindlichen städtebaulichen Vorgaben für Trier-West vor. Im September2010 kauft die EGP das stillliegende Eybl-Bobinet-Gelände. Im Sommer 2011 gründen Knaf und EGP die gemeinsame Grundstücksgesellschaft Trier-West (GGTW) mit dem Ziel, das Gesamtareal in den nächsten sechs bis acht Jahren in enger Zusammenarbeit zu entwickeln. Im Frühjahr 2014 beschließt der Stadtrat den Bebauungsplan für das Areal, damit besteht Baurecht. Bis Frühjahr 2016 muss Knaf einen Investor für die Wohnbebauung gefunden und einen Bauantrag eingereicht haben, sonst drohen Vertragsstrafen. woc

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