Senioren Innovation in Trier – Zeit im Tausch gegen Wohnkomfort (Video)

Trier · Vom Projekt Residenz-WG profitieren Studenten und die betagten Bewohner der Einrichtung am Zuckerberg doppelt.

 Spaß beim Spiel: Studentin Anne Bourgmeyer wohnt kostenlos in der Seniorenresidenz am Zuckerberg und verbringt im Gegenzug viel Zeit mit den Bewohnern.

Spaß beim Spiel: Studentin Anne Bourgmeyer wohnt kostenlos in der Seniorenresidenz am Zuckerberg und verbringt im Gegenzug viel Zeit mit den Bewohnern.

Foto: Rainer Neubert

Im Café der Seniorenresidenz am Zuckerberg ist die Stimmung hörbar gut. Gemeinsam mit der 21-jährigen Anne Bourgmeyer sitzen drei gut gelaunte Damen und ein Herr an einem Tisch am Fenster und spielen Rummy Cup. Spielsteine mit Zahlen in unterschiedlicher Farbe müssen dabei möglichst rasch passend auf dem Tisch abgelegt werden. Die junge Studentin ist nicht etwa Gast in dem Gebäudekomplex in Citynähe, in dem die unterschiedlichsten Wohnformen für Senioren angeboten werden. Sie ist die erste Teilnehmerin des Projekts Residenz-WG.

„Ich habe auf der Uni-Homepage von der Sache gelesen und war sofort begeistert“, sagt die junge Luxemburgerin, die seit Anfang des Jahres kostenlos in der Seniorenresidenz wohnt. Als Gegenleistung dafür muss sie 35 Stunden pro Monat mit den betagteren Bewohnern verbringen. „In den ersten zwei Wochen hatte ich viel Spaß“, versichert die Neu-Studentin der Erziehungswissenschaften. „Am Anfang habe ich mich oft einfach zu den Leuten gesetzt und bin mit ihnen ins Gespräch gekommen. Arbeit ist das für mich nicht.“

Auch Residenz-Geschäftsführerin Andrea Cremer ist von den ersten Erfahrungen begeistert. „Offiziell starten wir am 1. Februar. Dann bieten wir Studenten die Möglichkeit, in zwei Zweier-Wohngemeinschaften einzuziehen. Wir wollen mit dem Projekt Residenz-WG eine Brücke schlagen zwischen Jung und Alt und für die Menschen, die bei uns leben, zusätzliche Anreize schaffen.“

Vorbild ist ein Konzept aus den Niederlanden, bei dem es darum geht, dem „Grijze Druk“ – dem grauen Druck – des Alters entgegenzuwirken. Es geht um Kommunikation und Lebensfreude. Die jungen Mitbewohner sollen Senioren zum Beispiel auf Spaziergängen oder zu Veranstaltungen begleiten, gemeinsam kochen, Tageszeitung vorlesen, zuhören oder eben mit ihnen spielen. Pflegerische Tätigkeiten gehören nicht zu den Aufgaben.

„Wir hatten Mitte September die Idee, so etwas bei uns zu machen“, erinnert sich Geschäftsführerin Cremer. „Nach anfänglicher Skepsis und vielen Diskussionen stand das Projekt. Aber natürlich muss nicht jeder junge Mensch, der sich bei uns ehrenamtlich engagieren will, auch einziehen.“ So hätten bereits jetzt vier weitere Studenten zugesagt, regelmäßig Zeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Residenz zu verbringen.

Zu verdanken ist das auch dem Schirmherren: Universitätspräsident Michael Jäckel hat auf dem Campus bereits ordentlich für das Projekt geworben. „Das ist eine wegweisende Sache im Bereich der sozialen Innovationen“, ist er überzeugt. „Ob es wirklich gut funktioniert, wissen wir noch nicht. Aber der Versuch lohnt sich. Für Rheinland-Pfalz hat das Modellcharakter.“ Die komplett ausgestatteten Wohnungen mit je zwei separaten Zimmern, einem gemeinsamen Wohn- und Esszimmer, Balkon und integrierter Küche seien zudem sehr attraktiv.

Und was sagen die Bewohner? Johannes Ludwig (82) ist Mitglied des Beirats. „Beim Einzug in die Seniorenresidenz haben wir alle zunächst unsere Wurzeln verloren“, sagt der ehemalige Hochschullehrer. „Hier wieder Fuß zu fassen, das ist gar nicht so einfach. Eine solche Hilfe und Unterstützung wie wir sie durch Anne und bald hoffentlich auch durch weitere Studenten bekommen, ist eine feine Sache. Darin steckt viel Herzblut und Kreativität.“

An dem Tisch im Café der Residenz am Zuckerberg vergeht die Zeit wie im Flug. Immer wieder werden die Spielsteine neu gemischt und verteilt. Kontaktscheu sind der Herr und die vier Damen der Rummy Cup-Runde nicht. „Ich bin fertig“, ruft eine der Seniorinnen und zeigt stolz ihr leeres Spielsteinbrett. Auch Anne Bourgmeyer lacht und freut sich über die Begeisterung ihrer mehr als 60 Jahre älteren Mitspielerinnen. „Ich fühle mich wirklich wohl hier“, sagt die 21-Jährige. „Bis zum Abschluss meine Bachelorarbeit bleibe ich sicher.“ Das wäre voraussichtlich in drei Jahren.

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