Integration „Du bist ganz schön deutsch geworden“

Trier · Jugendliche mit und ohne Migrations- und Fluchthintergrund haben im Rahmen des TalentCAMPus Trier einen Spielfilm über den  Alltag junger Menschen als Fremde gedreht. Der Streifen soll Mut machen. Premiere ist am  25. August in der Volkshochschule Trier.

 Voller Vorfreude: Die 15-jährige Sana fiebert der Filmpremiere entgegen. 

Voller Vorfreude: Die 15-jährige Sana fiebert der Filmpremiere entgegen. 

Foto: Franziska Wonnebauer

  „Hier ist der Kreis des Zustands“, erklärt Sana wissend, „hier ist der Kreis des Möglichen und da ist der Kreis des Unmöglichen. Wenn man das Mögliche erreicht, wird das Mögliche Zustand und das Unmögliche möglich. Danach wird ein neues Unmöglich erzeugt. Und so weiter!“ Die kluge Passage, die die 15-Jährige zitiert, stammt aus dem Spielfilm „Ufuq“, übersetzt „Horizont“. Seit den Dreharbeiten in den  Sommerferien kennt Sana die Passagen nahezu aller Darsteller auswendig. Das Textlernen für ihre Rolle  fiel der gebürtigen Syrerin leicht. Ihr Talent zum Schauspielern entdeckte sie im Sommer 2017 im Rahmen des TalentCAMPus. Mit diesem Projekt will der Deutsche Volkshochschul-Verband dazu beitragen,  die soziale und kulturelle Teilhabe von benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu fördern. Zu diesem Zeitpunkt war es kaum eineinhalb Jahre her, dass Sana  ihre Heimat Aleppo verlassen musste.

„‚Ufuq‘ wurde damals als Theaterstück aufgeführt“, erzählt Projektleiterin Gisela Sauer von der Volkshochschule Trier (der TV berichtete). Doch als das Thema „Horizont“ die Teilnehmer auch nach der Premiere nicht losließ, wurde das Skript kurzerhand zum Drehbuch umgedichtet. In Kooperation mit der Karl-Berg-Musikschule, dem Bürgerhaus Trier-Nord und dem Exzellenzhaus Trier entstand schließlich sogar ein eigener Soundtrack, der im Tonstudio des Bürgerhauses eingespielt wurde. Darunter befinden sich sowohl neu vertonte arabische Melodien als auch eigens komponierte deutsche Ohrwürmer wie der Titelsong „Raus, raus, raus“.

Der Film erzählt von Jugendlichen in der letzten Woche vor der Premiere ihres Theaterstücks. Dieses basiert auf einer Sage um den Syrer Trebeta, der um das Jahr 2000 vor  Christus  die Stadt Trier gegründet haben soll, in der fortan nur noch „Liebe und Friede gepflanzt werden sollen“.

Zwischen den Probephasen lernt der Zuschauer die alltäglichen und authentischen Probleme eines Flüchtlings kennen, die sich beim Zusammenprall zweier verschiedener Kulturen ergeben. So möchte Malak bei einem Date endlich ihren Schwarm näher kennenlernen und bittet auf dem Friedhof um den Segen ihres verstorbenen Vaters. Noah wünscht sich, dass seine syrische Freundin ihr Kopftuch ablegt, um endlich ihre „schönen Haare im Wind tanzen zu sehen“ und Suleiman hofft auf einen Bescheid der Ausländerbehörde.

Das Theaterstück, das die Protagonisten im Film präsentieren, schafft dabei nicht nur eine einzigartige Verbindung zwischen Syrien und Trier, sondern inspiriert und motiviert sie auch zum Aufbruch zu Neuem.

„Es geht darum, den eigenen Horizont zu erweitern“, so der deutsch-syrische Drehbuchautor und Regisseur Omar Abouhamdan, „eine transkulturelle Gemeinschaft zu bilden.“ Aus diesem Grund setze sich die Teilnehmerschaft sowohl aus Jugendlichen mit als auch ohne Migrations- oder Fluchthintergrund zusammen. Das fördere zudem die Verbesserung von  Deutschkenntnissen und stärke das Selbstbewusstsein der Kids.

Nicht zuletzt könnten persönliche Parallelen zwischen Film und Realität auch zukünftig einen positiven Einfluss auf die Integration der jugendlichen Flüchtlinge haben. Denn die Filmhandlung sei zwar fiktiv, letztendlich wurde jedoch jeder der Darsteller mit den Alltagsproblemen seiner Rolle  konfrontiert, erklärt Sana. So spiele sie im Film ein syrisches Flüchtlingsmädchen Namens Amal (arabisch für „Hoffnung“). Diese habe aufgrund ihres Kopftuches mit Hänseleien zu kämpfen. Auch die Gymnasiastin Sana wird immer wieder Opfer von Fremdenfeindlichkeit. Besonders die sozialen Netzwerke böten Platz für Hasskommentare, die verletzen.

 Filmszene: Die jungen Flüchtlinge erfahren in einer Motivationsrunde Stärkung.

Filmszene: Die jungen Flüchtlinge erfahren in einer Motivationsrunde Stärkung.

Foto: Bildungs- und Medienzentrum Trier
 Filmszene: Ufuq und Suleiman lernen sich bei einem Date kennen. 

Filmszene: Ufuq und Suleiman lernen sich bei einem Date kennen. 

Foto: Bildungs- und Medienzentrum Trier
 Filmszene: Jugendliche mit Migrationshintergrund diskutieren leidenschaftlich  über Fußball.

Filmszene: Jugendliche mit Migrationshintergrund diskutieren leidenschaftlich  über Fußball.

Foto: Bildungs- und Medienzentrum Trier

Trotz der Darstellung alltäglicher Schwierigkeiten im Leben eines Flüchtlings soll der Film „Ufuq“ kein Mitleid hervorrufen, sondern stark machen. Freche Dialoge und das Spiel mit Klischees unterstützen diese Absicht. Dabei sind kesse Sprüche wie „Du bist ganz schön deutsch geworden“ kein Tabu und auch ein Hauch Kritik an der deutschen Bürokratie darf nicht fehlen. Daneben geht es um Sehnsüchte, die erste Liebe und die Suche nach Perspektiven. Uraufgeführt wird der 45-minütige Spielfilm am Samstag, 25. August, 13 Uhr,  in Raum fünf der Volkshochschule Trier. Alle Interessierte sind dazu willkommen. Vor allem aber empfiehlt Sana den Film „all denen, die die täglichen Nachrichten verfolgen und sich gern ein eigenes Bild von Flüchtlingen machen möchten.“

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