Kindertagesstätten kämpfen um Fachpersonal

Trier · Windeln wechseln, Spiele organisieren und beim Schuhebinden helfen. Mehr müssen die nicht machen? Erzieherinnen, die mit kleinen Kindern arbeiten, haben in ihrem Job mit vielen Vorurteilen zu kämpfen.

Das rhythmische Klatschen und das Kinderlachen sind bereits im Hausflur zu hören. Die Leiterin der Kinderkrippe in der Trierer Innenstadt lächelt, als sie an der geschlossenen Tür zu einem Gruppenraum vorbeigeht. "Heute ist Eingewöhnung", sagt sie und deutet auf die Tür. Zwei der insgesamt 40 Kinder besuchen die Einrichtung erst seit wenigen Tagen. Gemeinsam mit den Müttern der beiden kümmern sich die Erzieherinnen darum, dass sich die Kinder an die Umgebung gewöhnen. "Die Kinder bleiben schließlich den ganzen Tag hier", sagt die Leiterin.

Kita tritt in Konkurrenz zur Krippe



So viele Erwachsene wie an diesem Tag sind nicht immer in der Kinderkrippe. Normalerweise arbeiten hier nur vier Vollzeitkräfte und eine Halbtagskraft mit den Kindern. Schon bald werden es - zumindest übergangsweise - weniger sein.

"Im Februar wird uns eine Kollegin verlassen, weil sie wegzieht", sagt die Leiterin. Dass sie schnell einen Ersatz findet, bezweifelt sie. "Es wird immer schwieriger, geeignete Erzieherinnen zu finden. Der Markt ist abgegrast." Denn Kindertagesstätten, die nun Betreuung für Kinder unter drei Jahren anbieten, treten mit den Krippen in Sachen Personal in Konkurrenz. Und während man um jede passende Mitarbeiterin kämpfen müsse, könne sie sich nicht über mangelndes Interesse von Eltern beklagen, die für ihre Kinder dringend einen Krippenplatz brauchen. Die sind hart umkämpft, die Wartelisten sind lang. "Ich habe von Eltern gehört, die ihre ungeborenen Kinder anmelden, sobald sie von einer Schwangerschaft wissen", sagt eine der Erzieherinnen mit einem Kopfschütteln. Sie ist seit fünf Jahren im Beruf.

Für jedes der Kinder wird eine Mappe erstellt, in der die Erzieherinnen die Entwicklung ihrer Schützlinge genauestens dokumentieren. "Wenn wir die Gelegenheit haben, beschäftigen wir uns auch einzeln mit den Kindern, um auf den individuellen Entwicklungsstand einzugehen", erklärt die Erzieherin. Doch dazu müsse eben das Personal stimmen. Bei kleinen Kindern ist der Pflegeaufwand besonders hoch. "Die meisten unserer Kinder sind Windelkinder. Viele von ihnen müssen auch gefüttert werden."

Den pflegerischen Aufwand sieht die Einrichtungsleiterin auch als möglichen Grund dafür, warum sich nur relativ wenige Erzieherinnen für die Anstellung in einer Krippe interessieren.

Einen Tag zuvor sitzen die beiden angehenden Erzieher Raffaela Körner und Patrick Lulé im Besprechungsraum der Berufsbildenden Schule für Ernährung, Hauswirtschaft und Sozialpflege (BBS EHS) in Trier. Gemeinsam mit Schulleiterin Martina Groß arbeiten die Schüler an einem Flyer, der ihren Ausbildungslehrgang vorstellen soll.

Demografischer Wandel bereitet Sorgen



"Obwohl wir zusätzliche Klassen eingerichtet haben, mussten wir Bewerber ablehnen", sagt Groß. Das könnte sich jedoch bald ändern. "Der demografische Wandel sitzt uns im Nacken, und wir sind froh über jeden Bewerber." Ob die Absolventen in wenigen Jahren den enormen Bedarf in Rheinland-Pfalz überhaupt decken können, hält auch sie für fraglich. "Um auch in Zukunft genügend junge Menschen für diesen Beruf begeistern zu können, muss sich das Bild der Erzieherin in der Gesellschaft wandeln", sagt Marliese Heimig, die an der BBS für angehende Erzieher zuständig ist.

Ob Raffaela und Patrick einmal in einer Krippe arbeiten wollen, wissen beide noch nicht. Nach der Ausbildung stehen ihnen vielfältige Möglichkeiten offen. "Wir können zum Beispiel mit Jugendlichen arbeiten oder auch in ein Kinderheim gehen", sagt Raffaela. Einige ihrer Mitschülerinnen können sich auch vorstellen, nach der Ausbildung zu studieren. Das sei eine lange Durststrecke, bis man mit seiner Arbeit endlich Geld verdiene. "Aber wegen des Geldes macht das sicher niemand von uns", betont Raffaela und ergänzt: "Man muss wirklich schon eine Idealistin sein, um diesen Beruf zu machen."

Meinung

Kein Kinderkram

Die Erzieherinnen und Erzieher in Rheinland-Pfalz sind gut ausgebildet. Sie haben die Qualifikation dazu, die Entwicklung der Kinder, deren Eltern berufstätig sind, einzuschätzen und gegebenenfalls zu beeinflussen. Doch man muss ihnen auch die Chance lassen, ihre Kenntnisse anzuwenden. Bei dünnen Personaldecken in den Kindergärten und Krippen bleibt jedoch zwischen Windeln wechseln, Streit schlichten und der Beaufsichtigung einer ganzen Kindergartengruppe oft nicht genügend Zeit, um individuell auf die Kinder einzugehen und positiven Einfluss auf deren Entwicklung zu nehmen. Auch Gespräche mit den Eltern drohen zu kurz zu kommen. Darum ist es wichtig, dass nicht nur die Landesregierung möglichst schnell alles in Bewegung setzt, um die Zahl der Erzieher aufzustocken. Auch in der Bevölkerung muss ankommen, dass die Arbeit mit Kindern mehr bedeutet als nur Basteln und Spielen. Es ist eine ungemein wichtige pädagogische Arbeit, und kein Kinderkram. sl.gombert@volksfreund.deExtra Voraussetzung für die Arbeit als Erzieher ist der Schulabschluss Mittlere Reife. Auf zwei Jahre Höhere Berufsfachschule Sozialassistenz folgen zwei Jahre Fachschule Sozialpädagogik und ein praktisches Anerkennungsjahr, welches mit knapp 1300 Euro vergütet wird. Ausgebildete Erzieher bekommen für ihre Arbeit im Kindergarten nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ein Einstiegsgehalt von 2280 Euro. Nach 16 Jahren im Beruf liegt das Gehalt bei 2915 Euro. Bei Zusatzqualifikationen steigt das Gehalt. (slg)

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