Manches gelernt vom großen Trierer

TRIER. Würdige Preisträger müssen nicht zwangsläufig auch populär sein. Auf Helmut Schmidt, der den zweiten Oswald-von-Nell-Breuning-Preis der Stadt Trier erhält, trifft in hohem Maße beides zu.

In einer eiligst anberaumten Pressekonferenz am Freitagmorgen im Rathaus ließ OB Helmut Schröer die Katze aus dem Sack: "Altkanzler Helmut Schmidt erhält den Oswald-von-Nell-Breuning-Preis 2005 der Stadt Trier." Durchaus nachvollziehbar, dass Triers Stadtoberhaupt die Medienleute zu, wie er selber sagte, "unchristlicher Uhrzeit" zusammen trommelte. Denn mit dem Namen Helmut Schmidt verbindet sich ein hoher Nachrichtenwert; und das Risiko, dass die am Vortag getroffene Entscheidung des Preisgerichts auf nicht amtlichem Wege an die Öffentlichkeit gelangt, war Schröer wohl doch zu groß. Den mit 10 000 Euro dotierten Nell-Breuning-Preis vergibt die Stadt alle zwei Jahre. Sie will, so das Statut, damit ihre Verbundenheit mit ihrem früheren Ehrenbürger Oswald von Nell Breuning (1890-1991) dokumentieren, an das epochale Lebenswerk des Jesuitenpaters erinnern und mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung der Weitergabe seines Vermächtnisses dienen. Die Preisträgerliste eröffnete 2003 der frühere Bundesverfassungsrichter und Steuerexperte Paul Kirchhof, den die Stadt für seinen prägenden Einfluss auf die Familiengesetzgebung der Bundesrepublik auszeichnete. Auch über Preisträger Nummer zwei zeigte sich Schröer "sehr froh".Hohe Kompetenz, tiefes Verantwortungsbewusstsein

Die von ihm geleitete Jury, der außerdem die Stadtrats-Fraktionsvorsitzenden sowie zwei Uni-Vertreter (Theologische und Sozialwissenschaftliche Fakultät) und ein Repräsentant der Theologischen Fakultät der Hochschule Sankt Georgen Frankfurt/Main angehören, habe "diesen großen, herausragenden Preis" einstimmig Schmidt zuerkannt. Sie würdigt damit die "Ernsthaftigkeit, mit der sich der Sozialdemokrat Schmidt in seinem langen Politikerleben immer wieder auch Fragen eines gerechten sozialen Ausgleichs gestellt" habe. Der Ex-Kanzler (1974-1982), langjährige SPD-Vize und nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 1987 international gefragter "elder statesman" feierte vor drei Wochen seinen 86. Geburtstag. Den Spitznamen "Schmidt-Schnauze" handelte er sich bereits vor einem halben Jahrhundert als versierter Rhetoriker ein. Wenn er heute spricht, etwa als Vortragsredner oder bei seinen raren Auftritten in Fernseh-Talks, spitzen auch einstige politische Gegner die Ohren und zollen dem Rat aus seinem Mund Beifall. Die Preis-Jury bescheinigt Schmidt ein "von hoher Sachkompetenz und tiefem Verantwortungsbewusstsein" geprägtes Wirken, das in "unmittelbarer geistiger Verwandtschaft zu dem pragmatisch orientierten sozialethischen Ansatz Nell-Breunings" stehe. Schmidt und Nell-Breuning haben sich in den 70er-Jahren mehrfach getroffen und über finanz- und wirtschaftspolitische Themen ausgetauscht.Gegenseitige Wertschätzung

Weggefährten des Jesuitenpaters berichten von großer gegenseitiger Wertschätzung; Schmidt schrieb in einem Buchbeitrag zum 100. Geburtstag des großen Trierers, er habe von ihm "manches gelernt". Der Hamburger Schmidt hat bereits zugesagt, zur Preisverleihung (voraussichtlich im Oktober) nach Trier zu kommen. Die Ehrung führt ihn dorthin, wo einst Nell-Breuning und Karl Marx, beide Absolventen des heutigen Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums, ihre Abiturzeugnisse entgegen genommen haben: in die Promotionsaula in der Jesuitenstraße.

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