Mittelalter trifft Moderne: Gädemchen wieder da

Trier · Die Gädemchen-Tradition in der Grabenstraße lebt fort. Die Zeile der seit dem Mittelalter bestehenden, an die Gangolfkirche angebauten Verkaufsstände ist wieder komplett. Bernadette Wacht-Herrmann bietet auf der Fläche, die das Ehepaar Hein im Februar nach 58 Jahren aufgegeben hat, künftig Joghurt-Eis an.

 Gädemchen-Wiedereröffnung in der Grabenstraße: Nach zwei Monaten Umbau und Modernisierung ist die neue Betreiberin Bernadette Wacht-Herrmann (Dritte von links) an den Start gegangen. TV-Foto: Roland Morgen

Gädemchen-Wiedereröffnung in der Grabenstraße: Nach zwei Monaten Umbau und Modernisierung ist die neue Betreiberin Bernadette Wacht-Herrmann (Dritte von links) an den Start gegangen. TV-Foto: Roland Morgen

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Trier. Vorab eine Begriffserklärung: Ein Gadem oder Gaden ist auf gut Mittelhochdeutsch ein offener Verkaufsstand. An der Ostwand der Marktkirche St. Gangolf in der Grabenstraße gibt es seit dem 14. Jahrhundert gleich mehrere solcher, im Trierischen Gädemchen genannt. Gut sieben Jahrhunderte dauert die Gädemchen-Tradition an, unterbrochen kriegs- und zerstörungsbedingt lediglich von 1944 bis 1953. Und ein Ende der Gädemchen ist weiterhin nicht in Sicht. Dort, wo bis Ende Februar das Ehepaar Walter und Elfriede Hein (beide 78) Zeitschriften, Zeitungen und Souvenirs verkauft hat, bietet Bernadette Wacht-Herrmann nun Frozen Yogurt (Joghurt-Eis) an. Die 54-Jährige, die Tanzstudios in Trier und Saarburg und in der Neustraße einen Frozen-Yogurt-Laden betreibt, hat nach eigenen Angaben "viel Geld, Zeit und Nerven investiert", um ins Gädemchen-Geschäft einzusteigen. So mussten erstmals sanitäre Einrichtungen für das Personal eingebaut werden, bei der Gestaltung hatte die Denkmalpflege ein Wörtchen mitzureden. Ebenfalls knifflig: Die insgesamt nur rund 15 Quadratmeter Ladenfläche verteilen sich auf drei Besitzer: die Kirche, Walter Hein und den Unternehmer Bernd Schirmer. Mit allen hat Bernadette Wacht-Herrmann langfristige Mietverträge abgeschlossen.
Zwei Monate hat es gedauert, das Gädemchen technisch und optisch auf Vordermann zu bringen. Am Donnerstagabend wurde Eröffnung gefeiert, gesanglich umrahmt vom Musical-School-Ensemble der Karl-Berg-Musikschule Trier mit Kostproben aus seinem Fame-Projekt.
Die Tradition lebt fort - darüber freut sich auch Gisela Linker (72). Sie ist die Tochter von Otto und Christel Heck, die bereits vor dem Krieg ein Gädemchen betrieben und Kolonialwaren verkauften. Die Hecks waren in der Nachkriegszeit auch maßgeblich am Wiederaufbau der Lädchen beteiligt. "Meine Eltern haben ihren Verkaufsstand bis zum Tod meiner Mutter im Juni 1980 geführt und Reiseandenken und farbikfertig verpackte Lebensmittel verkauft", erinnert sich die 72-Jährige. Sie und ihre 2014 gestorbene Schwester hätten als Jugendliche oft mitgeholfen, aber den Laden später nicht übernehmen wollen. "Deshalb haben wir unser Gädemchen samt restlichem Warenbestand an das Ehepaar Hein abgetreten." Das damit insgesamt drei Flächen vereinte.
Keine Veränderung gibt es auf Gädemchen-Fläche Nummer vier. Dort bietet wie gehabt der Familienbetrieb Hans-Josef Ral tschitsch Souvenir-Artikel an.

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