Netz für verpasste Chancen

Trier · Im sozialen Netzwerk Facebook gibt es einen neuen Trend: In Gruppen, die sich bevorzugt an Studenten richten, können Mitglieder ihrem Schwarm anonyme Nachrichten schicken, falls im echten Leben Mut oder Gelegenheit fehlten, die Person anzusprechen. In Trier konkurrieren gleich mehrere solcher "Spotted"-Gruppen.

Trier. Hätte sich eine Gelegenheit geboten, irgendeine, dann wären die Zeilen nun überflüssig. Aber die Gelegenheit kam nicht. Oder der Mut fehlte. Oder beides. Deshalb schickt der Student seine Nachricht ab - in der Hoffnung, dass sie ihr Ziel doch noch erreicht. Das Ziel, das ist die "süße Blondine, die im Audimax in Rechnungswesen ganz oben sitzt". Dem Absender sind die "wundervollen Haare" der Trie-rer Studentin aufgefallen. Doch wer ist der Bewunderer? Kein Name, kaum Information. Nur eine: "Ein Junge zwei Reihen unter Dir."
Jeden Tag neue Gesuche


Vor einigen Jahren hätte man in einer solchen Situation wohl kaum eine Chance gehabt, die Angebetete unkompliziert zu erreichen. Mitten in der Vorlesung über mehrere Sitzreihen hinweg jemanden ansprechen? Nicht sehr diskret. Einen Zettel losschicken? Landet immer bei den Falschen. Die Person nach dem Ende der Vorlesung abpassen? Schwer bei 500 Studenten, die alle gleichzeitig in Richtung Ausgang strömen. Und selbst wenn - viele sind zu schüchtern, um eine fremde Person einfach anzusprechen.
Auf Facebook gibt es nun eine Möglichkeit, mit der flirtwillige Trierer Studenten dieses Dilemma lösen können - wenn genug mitmachen. Praktisch zeitgleich wurden Anfang der Woche mehrere Gruppen ins Leben gerufen, die unter dem Titel "Spotted" firmieren, was so viel bedeutet wie "entdeckt" oder "erkannt". Zusammen genommen haben sich in den ersten zwei Tagen etwa 1500 Nutzer in den Gruppen zusammengeschlossen.
Solche Spotted-Seiten sind der neueste Trend in dem sozialen Netzwerk. Die ersten wurden Mitte Dezember an britischen Universitäten gegründet, mittlerweile gibt es sie auch an vielen deutschen Städten. Etwa 10 000 Mitglieder zählt die größte deutsche Spotted-Seite, sie ist für Benutzer der Bayerischen Staatsbibliothek in München gedacht.
Mit mehr als 700 Mitgliedern ist die Gruppe "Spotted: Universität Trier" die größte in Trier. Jeden Tag werden an der Pinnwand etliche Gesuche anonym veröffentlicht - und manchmal auch einfach nur ein Kompliment verteilt. Die Seite wird ehrenamtlich von einem Trierer BWL-Studenten betrieben. Der 21-Jährige studiert im ersten Semester und nennt sich "Sed"- er möchte anonym bleiben, Kontakt gibt es nur über Facebook. Die Idee hat er sich aus Köln abgeschaut, dort gibt es seit einigen Tagen eine Spotted-Seite. "Ich habe mir gedacht, dass die Uni Trier schon lange so cool ist wie die Universität zu Köln und habe somit nachgezogen", schreibt er.
Das Konzept jeder Spotted-Seite funktioniert so: Wer eine interessante Person sieht und sie kennenlernen möchte, schickt eine private Nachricht an den Betreiber der Seite. Der veröffentlicht sie dann auf der Pinnwand der Gruppe, sie ist damit anonymisiert. Erkennt sich die gemeinte Person wieder, kann sie den Kontakt aufnehmen.
Genauso funktioniert auch die zweite Trierer Seite mit knapp 700 Mitgliedern: "Spotted: University of Trier". Hinter der Gruppe steht eine 21-jährige Trierer Lehramtsstudentin; auch sie möchte anonym bleiben. "Es gab in meinem Leben auch schon Gelegenheiten, bei denen ich eine solche Seite mal gebraucht hätte", sagt sie. "Ich stelle alle Nachrichten online, aber es muss schon eine ernst gemeinte Anfrage sein." In Mainz, wo sie eine solche Seite das erste Mal gesehen hat, hätten sich Studenten aufgrund der Beschreibung in der Gruppe erkannt und dann verabredet. Nun hofft sie, dass es in Trier auch funktioniert.
Geld verdient die Studentin mit ihrer Seite nicht - genauso wie Sed, auch er betreibt seine Gruppe ehrenamtlich. "Es gibt keine tieferen Gründe als Spaß an der Freude, und so aufwendig ist es jetzt auch nicht", sagt er.
Persönlich würde der Student seine Plattform aber eher nicht nutzen - er ist seit drei Jahren in einer festen Beziehung. Und: "Ich habe sie damals selbst angesprochen."

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