Stadtgeschichte Mysterium Porta Nigra: Vom Teufelswerk zur Gottesburg

Trier · Wer was wann über Triers Wahrzeichen wusste – und meist daneben lag.

 Am Simeonskirche-Modell im Rheinischen Landesmuseum: Jürgen Merten mit dem neuen Band der „Funde und Ausgrabungen“-Reihe, in dem es unter anderem um die Forschungsgeschichte der Porta Nigra geht.

Am Simeonskirche-Modell im Rheinischen Landesmuseum: Jürgen Merten mit dem neuen Band der „Funde und Ausgrabungen“-Reihe, in dem es unter anderem um die Forschungsgeschichte der Porta Nigra geht.

Foto: TV/Roland Mogren

Was für Bayern Schloss Neuschwanstein, für Berlin das Brandenburger Tor oder für Köln der Dom, das ist für Trier die Porta Nigra: weltbekanntes Wahrzeichen, Aushängeschild, Touristenmagnet. Triers Porta nimmt eine Ausnahmestellung ein: Sie ist deutlich älter als alle drei anderen Bauwerke zusammen und stand schon mehr als tausend Jahre, als anno 1248 der Grundstein für das zweitälteste, den Kölner Dom, gelegt wurde. Und mit gut einem Jahrtausend auf dem sprichwörtlichen Buckel war Triers Premium-Monument auch schon lange nicht mehr das, als das es erbaut wurde, nämlich Kirche statt Stadttor.

Noch ein Unterschied: Wer Bauherr war und wie lange es dauerte, die tonnenschweren Quader bis in 30 Meter Höhe zu türmen, liegt auch anno 2018 im Dunkel der Geschichte. „Und in früheren Jahrhunderten hat die Porta Nigra erst recht Rätsel aufgegeben“, sagt Jürgen Merten (62), Bibliotheks- und Redaktionschef im Rheinischen Landesmuseum Trier. Im neuen Band 49 der Reihe „Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier“, in der das Landesmuseum jährlich über seine Arbeit berichtet, widmet er sich der Forschungsgeschichte der Porta Nigra. Was weiß man in zurückliegenden Epochen über das „Schwarze Tor“?

Zunächst nicht viel. „Im Mittelalter gilt die erstaunliche Monumentalität der Architektur nach volkstümlicher Meinung als Teufelswerk“, sagt Merten. Dann kommt der griechische Mönch Simeon und lässt sich für den Rest seines Lebens im Ostturm einschließen – der Beginn der Entdämonisierung. Nach Simeons Tod 1035 und Heiligsprechung noch im selben Jahr wird die Porta in eine Kirche umgewandelt und im Lauf der Jahrhunderte ausgebaut. Schließlich ist sie eine „Gottesburg“, eine monumentale dreischiffige Doppelkirche auf zwei Etagen samt angeschlossenem Kloster (Simeonstift).

Entmystifiziert ist sie damit längst nicht. Mal werden die Treverer für die Erbauer gehalten, mal die Römer. Noch 1817, als auf Geheiß Napoleons die Porta (die er für ein Bauwerk der Gallier hielt und komplett freistellen lassen wollte) bereits von den meisten Sakralanbauten befreit ist, bringt der Gelehrte Johannes Hugo Wyttenbach „etruskische Baukunst“ ins Spiel. Seine schwärmerische Einzelmeinung revidiert Wyttenbach bald und schließt sich einer anderen, ebenso falschen These an: Kaiser Konstantin sei der Bauherr, und die Entstehung somit ins vierte Jahrhundert zu datieren. Im 20. Jahrhundert sind die meisten Experten auf der richtigen Spur: Erbauung in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Die Bestätigung dafür lieferte 2017 eine archäologische Grabung in der Nordallee plus anschließende dendrochronologische Untersuchung (Datierungsmethode über Holzringe) im Landesmuseum: Bäume, deren Holz beim Bau der Stadtmauer und damit ihres Nordtors Porta verwendet wurden, wurden 169/170 gefällt. Diese Mauer, die das drei Quadratkilometer große Areal des römischen Trier umschloss, war 6,4 Kilometer lang. Und die Porta Nigra kein Einzelstück. Es gab drei weitere, ähnlich gewaltige Torburgen. Die dienten allerdings im Mittelalter als Steinbrüche und verschwanden somit von der Bildfläche.

 Wahrzeichen der ältesten Stadt Deutschlands: die ab 170 n. Chr. erbaute Porta Nigra, ursprünglich Nordtor des römischen Trier und von 1035 bis 1802 Kirche.

Wahrzeichen der ältesten Stadt Deutschlands: die ab 170 n. Chr. erbaute Porta Nigra, ursprünglich Nordtor des römischen Trier und von 1035 bis 1802 Kirche.

Foto: Roland Morgen

Jürgen Merten hat seinen Beitrag reich illustriert, unter anderem mit Fotos von Münzen des Erzbischofs Poppo. Geprägt um 1035, liefern sie die älteste Darstellung der Porta Nigra. Eine neue ziert die 2017  in 30 Millionen Exemplaren erschienene 2-Euro-Gedenkmünze der Bundesrepublik.

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