Pfleger am Limit: Die Kliniken im Land haben zu wenig Personal

Trier · Wegen fehlenden Personals sind viele Mitarbeiter auf Intensivstationen überlastet. Häufige Überstunden und Stress sind die Folgen.

Der Job, sagt sie, mache ihr immer noch Spaß. Auch wenn die Belastungen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hätten. Mittlerweile habe sie kaum noch regelmäßig an Wochenenden frei, sagt die 45-Jährige. Seit fast 30 Jahren ist sie Krankenpflegerin, arbeitet seitdem fast ununterbrochen als Intensivpflegerin oder als OP-Krankenschwester. Sie will anonym bleiben, auch das Krankenhaus, in dem sie arbeitet, soll nicht genannt werden.

Notstand auf den Intensivstationen in der Region

Aus Angst, sie könnte Nachteile haben, weil sie sich traut, die Missstände, die es aus ihrer Sicht auf der Intensivstation in ihrem Haus gibt, zu benennen. Acht Betten gibt es dort. Zusammen mit ihr arbeiten neun Intensivpfleger in dem Krankenhaus. Drei für jede Schicht. Doch die seien selten alle da. Mal habe eine frei, eine andere Urlaub. Da komme es schon mal vor, sagt die 45-Jährige, dass sie zusammen mit einer Pflegeschülerin und einer Praktikantin allein zuständig ist für die Betreuung der zum Teil schwerst kranken Patienten. Wenn von denen dann noch drei künstlich beatmet und daher noch intensiver kontrolliert und gepflegt werden müssten, werde es schon mal richtig stressig. Es bleibe kaum noch Zeit, sich um die Pflege der Patienten zu kümmern.

Das gehe aber zulasten des Personals. "Da ist man nach Feierabend richtig ausgepowert", sagt die Pflegerin. Weil es eben häufig zu Personalengpässen auf der Intensivstation komme und damit die Betreuung der Patienten nicht mehr gewährleistet werden könnte, würden öfter einmal Betten abgemeldet. Statt acht würden dann nur sechs Patienten gleichzeitig behandelt. Das führe auch dazu, dass geplante Operationen, bei denen klar ist, dass die Patienten danach für einige Zeit auf der Intensivstation behandelt werden müssten, verschoben werden.

Das sei in fast allen Kliniken die Regel, sagt Frank Hutmacher. Er ist Fachbereichsleiter Gesundheit bei der Gewerkschaft Verdi in Rheinland-Pfalz. In kaum einer Klinik werde die erforderliche Sollbesetzung von mindestens einer Pflegekraft für zwei Patienten erreicht. Häufig, so der Gewerkschafter, würden die Mitarbeiter kurzfristig aus ihrer Freizeit gerufen, um Engpässe zu beseitigen. Das bestätigt auch die 45-jährige Pflegerin. Es sei schon häufig vorgekommen, dass sie während ihres freien Tages angerufen worden sei, damit sie für eine krank gewordene Kollegin einspringe. Als OP-Schwester sei sie auch oft nachts aus dem Bett geklingelt worden, weil ein Notfall reingekommen ist und dringend Personal gebraucht würde.

Doch die häufigen Überstunden, die zehrten doch an einem. "Ich kann nicht mehr als arbeiten. Das belastet dann einen sehr." Überstunden und Stress - all das sei nicht unbedingt förderlich für die Gesundheit der Pfleger, sagt Gewerkschafter Hutmacher. Das wiederum führe dazu, dass diese krankheitsbedingt ausfielen.

"Für die in der Intensivpflege eingesetzten Pfleger muss eine deutliche Reduzierung der Arbeitsbelastung erfolgen", sagt auch Markus Mai. Er ist Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, die Interessen der Pfleger im Land vertritt. "Es bedarf einer deutlich gesteigerten Arbeit in der Personalakquise, um geeignete Kandidaten zu finden", beschreibt Kristina Kattler, Sprecherin des Trierer Mutterhauses die Probleme, Intensivpfleger zu finden. Man "animiere und unterstütze" die Mitarbeiter, wenn sie die zweijährige Fachweiterbildung zum Intensivpfleger absolvieren wollen, sagt ein Sprecher der Marienhaus GmbH, zu der die Krankenhäuser in Gerolstein, Bitburg und Hermeskeil gehören. Mai fordert eine bessere Bezahlung für Pflegekräfte, die sich zu Intensivpflegern haben weiterbilden. Die Vergütungsanreize seien "bei weitem nicht ausreichend, um eine derartige Weiterbildungsmaßnahme anzugehen".

Der Personalmangel sei auch hausgemacht, kritisiert Mai. Durch die vom Bund beschlossene Einführung von Personaluntergrenzen in Krankenhäusern führe häufig dazu, dass darüber hinaus kein weiteres Personal eingesetzt werde. "Als Konsequenz daraus muss man die pflegerische Versorgung der Patienten als gefährdet ansehen", schlägt Mai Alarm. Da klingt es erstaunlich, wenn die 45-jährige Pflegerin von ihrem Job schwärmt. "Ich möchte nichts anderes machen. Ich mag es an Patienten zu arbeiten." Auch wenn dafür immer weniger Zeit bleibe.

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