Soziales Das Tablet zur Außenwelt: Projekt hilft Senioren beim selbstbestimmten Leben

Trier · Wie das vom Land Rheinland-Pfalz geförderte Projekt STuDi Senioren helfen soll, so lange wie möglich alleine und selbstbestimmt zu leben.

 André Steinhilber, Matthias Brünett, Christoph Biegel und Joachim Lames weisen Elisabeth Schleimer in die Technik von STuDi ein. Das Projekt soll Menschen ab 70 Jahren ermöglichen, möglichst lange selbstständig zu leben.

André Steinhilber, Matthias Brünett, Christoph Biegel und Joachim Lames weisen Elisabeth Schleimer in die Technik von STuDi ein. Das Projekt soll Menschen ab 70 Jahren ermöglichen, möglichst lange selbstständig zu leben.

Foto: TV/Katja Bernardy

So viel Besuch hat Elisabeth Schleimer selten. Am kleinen runden Tisch in ihrem Wohn-Ess-Schlafzimmer sitzen vier Herren: zwei Berater, ein Wissenschaftler und André Steinhilber von der Firma Cibek.

Die 76-Jährige schenkt Filterkaffee ein und schwärmt von ihrem Hobby. Täglich stricke und häkele sie, alleine in ihrer kleinen Wohnung in Trier-Olewig oder gemeinsam mit anderen Frauen im Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Sie habe den Strickkreis ins Leben gerufen.
Kontakte zu anderen Menschen sind der großen Frau mit den weißen Haaren, die etliche Erkrankungen und Schicksalsschläge gemeistert hat, wichtig. Seit fast 15 Jahren lebt sie nun alleine. Wichtig ist ihr auch, dass sie so lange wie möglich selbstbestimmt in ihrer Olewiger Zweizimmerwohnung leben kann.

Deshalb macht Elisabeth Schleimer bei STuDi mit. Das ist die Abkürzung für „Smart Home Technik und Dienstleistung für ein unabhängiges Leben zu Hause“.

Was sich hinter dem sperrigen Begriff verbirgt, erklären an diesem Februarnachmittag die vier Herren: STuDi ist ein eigens auf ältere Menschen zugeschnittenes Angebot, das hilfreiche Technik und Beratung durch Fachleute verbindet. Derzeit geht das Projekt in mehreren Haushalten an den Start. So wie bei Elisabeth Schleimer.

Kernstück von STuDi ist ein Tablet, ein kleiner, tragbarer Computer. Um die notwendige Technik drumherum, wie etwa einen Internetzugang, hat sich André Steinhilber bereits gekümmert. Und siehe da: Das Tablet funktioniert. Auf dem Bildschirm erscheinen sieben große Kreise, sogenannte Buttons: Hilferuf, Dies & Das, Telefon oder Dienste ist darauf zu lesen. s„Wunderbar, alles ohne Brille lesbar“, sagt Schleimer begeistert und drückt mit dem Finger auf Dies & Das. Die Seite öffnet sich daraufhin. „Es kann nichts passieren, das System kann nicht abstürzen“, sagt Matthias Brünett vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung.

Er wird das Projekt, das noch bis Juni 2019 läuft, pflegewissenschaftlich begleiten. So wird er unter anderem auswerten, was hilfreich für die Senioren war und was vielleicht noch verbessert werden kann. Brünett betont: „Alle Daten bleiben im Haus.“ Die Seniorin bestimmt, was sie weitergibt. Angehörige etwa kann sie einladen, mit ihr zu telefonieren. Das System ist in sich geschlossen.

Um Sicherheit und Kommunikation geht es auf allen Ebenen beim Projekt STuDi. Elisabeth Schleimer freut sich ganz besonders auf das Telefonieren per Video. Und auch das klappt: Joachim Lames, er sitzt mit am Tisch und hat ebenfalls ein Tablet vor sich, hat gerade einen Test­anruf gestartet.

Schleimer sieht das Bild ihres Gegenübers auf dem Tablet. „Das ist eine andere Qualität des Telefonierens, als wenn man nur den Hörer in der Hand hat“, sagt Lames.
Schleimer nickt.

Christoph Biegel und er sind speziell geschulte STuDi-Berater. Sie gewinnen Senioren, die an dem Projekt teilnehmen möchten, und beraten die Mitmachenden. Joachim Biegel ist Pflegeberater beim Pflegestützpunkt der Stadt Trier und für STuDi-Teilnehmer der Stadt Trier zuständig. Christoph Biegel vom Verein Caritasverband Westeifel berät Ü-70-Jährige, die am Projekt teilnehmen möchten, in den Landkreisen Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm.

Die begleitende Beratung unterscheidet STuDi wesentlich vom Vorgängerprojekt Susi, an dem auch Elisabeth Schleimer teilgenommen hatte. Lames und Biegel sorgen auch dafür, dass die Menschen je nach Bedarf gezielt Unterstützung bekommen und somit möglichst lange selbstständig wohnen und am Leben teilhaben können.

Das Projekt gibt es in zwei Varianten: STuDi und STuDi plus. Elisabeth Schleimer hat sich für die Variante STuDi plus entschieden. Das heißt: Auch Bewegungsmelder werden in ihrer Wohnung installiert. Mithilfe einer speziell entwickelten Technik kann dann schnell erkannt werden, wenn die Mittsiebzigerin Hilfe benötigt. „Vor kurzem bin ich im Bad gefallen“, sagt die Seniorin und zeigt die Narbe auf ihrer Stirn. Für solch brenzlige Situationen ist das ausgeklügelte System gedacht.

Elisabeth Schleimer ist begeistert. „Das Tablet und die Sensoren geben mir Sicherheit, und ich kann Freunde im Internet wiederfinden und mit ihnen telefonieren.“ Sie  bedauert allerdings, dass keine ihrer Strickfreundinnen bisher bei STuDi mitmachen möchte. „Ich werde ihnen das Projekt noch mal ans Herz legen“, sagt sie. Lames scherzt: „Ob Sie überhaupt nochmal Zeit finden werden zum Stricken?“

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