Raum für jedes Leben

Andreas Lukas lässt seit Kindertagen der Traum von einem eigenen Platz für jedes lebende Wesen nicht los. Heute ist der Trierer stellvertretender Vorsitzender des Naturschutzbunds (Nabu) Rheinland-Pfalz. In unserer Serie erzählt er von seinen Beweggründen.

lles Leben ist Problemlösen", sagt Philosoph Karl Raimund Popper in einem Buchtitel.

Das trifft vor allem zu, wenn die Spielräume eng sind. Ich habe diese Erfahrung zum ersten Mal in jungen Jahren gemacht. Aufgewachsen bin ich in der Mainzer Neustadt, die um 1990 als sozialer Brennpunkt galt. Weil die Spielplätze nicht saniert waren, bolzte man auf den Schulhöfen, bis das wegen Lärms verboten wurde. Eines Nachmittags haben wir Kinder einfach auf dem Hof der Grundschule gespielt, uns trotzig darüber hinweggesetzt. Und wir hatten wieder einen Spielraum! Die Schilder blieben zwar hängen, aber um das Verbot kümmerte sich niemand.

Aus diesem Schlüsselerlebnis ist meine Vision entstanden, dass für alle Wesen auf dieser Welt genug Platz zum Leben geschaffen wird. Für meinen Alltag bedeutet das, mich so zu verhalten, dass ich anderen ihren Raum zur Entfaltung lasse. Ich esse Bio, denn meine Lebensmittel sollen von schonend bewirtschafteten Äckern kommen, auf denen auch die Tier- und Pflanzenarten der Kulturlandschaft einen Platz an der Sonne finden. Obwohl mein Schwiegervater in spe eine Fahrschule besitzt, habe ich keinen Führerschein und nutze öffentliche Verkehrsmittel. Denn ich will mich bewegen, ohne dem Polarbär seinen Bewegungsraum zu nehmen oder dazu beizutragen, dass weiterer Straßenbau den Lebensraum heimischer Arten zerschneidet. So gut es geht, versuche ich, Produkte aus fairem Handel zu konsumieren. Denn ich will nicht genießen, wenn dafür der Kaffeebauer in Afrika, die Näherin in Indien oder auch der Milchbauer in der Eifel ausgebeutet werden. Und was ich mir so nicht leisten kann, kaufe ich nicht billig beim Textil- oder Lebensmitteldiscounter, sondern gar nicht.

Das durchzuhalten, fordert die Persönlichkeit. In der Unterstufe war ich Klassensprecher, in der Oberstufe Außenseiter, Gleichgesinnte fand ich nur beim Nabu (Naturschutzbund). Dann kam das Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes, das hat mich sehr bestärkt. Ich entschloss mich, Jura mit Schwerpunkt Umweltrecht sowie Philosophie zu studieren. Inzwischen kümmere ich mich wenig darum, was andere über mich denken, denn ich habe gelernt, dass sich Beständigkeit und Hartnäckigkeit auszahlen: Als ich begann, für den Nabu ein Projekt zum Schutz eines der letzten artenreichen Bergnebelwälder im rheinland-pfälzischen Partnerland Ruanda zu planen, sagte mir der damalige Referatsleiter im Ministerium, es habe keine Chance, in Ruanda gebe es keinen privaten Naturschutz. Heute ist es erfolgreich umgesetzt und der Umweltschutz ein Schwerpunkt der Partnerschaft.

Künftig möchte ich mich als Fachanwalt für Verwaltungsrecht dafür einsetzen, dass Planungsträger genügend Lebensräume bereitstellen. Das Überleben von Wildtieren und -pflanzen in stabilen Vorkommen wird davon abhängen, wie viel Platz wir Menschen dem Nachbarn Natur in unseren Dörfern und Städten gewähren. Sei es durch naturnah gestaltete Parks, Gärten, Brachen und Naherholungsgebiete oder begrünte Terrassen, Balkone, Dächer oder Fassaden. I

ch glaube an diese Vision des "Lebensraumes", denn die Natur kennt keine Probleme - nur Lösungen.

Aufgezeichnet von Anke Emmerling

In der Serie "Mein Traum" erzählen Menschen aus der Region, welche Visionen zum Wegweiser ihres Handelns geworden sind.

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