Rentner erhält Knöllchen für Schlangenlinienfahrt um Schlaglöcher

Trier · Weil er die tiefen Schlaglöcher in der Trierer Loebstraße umkurvt hat, statt durch diese durchzufahren, hat die Polizei einem Rentner aus Trier-Ruwer ein Bußgeld verpasst.

 Norbert Süss hat für seine Schlangenlinienfahrt in der Loebstraße ein Bußgeld kassiert. TV-Foto: Friedemann Vetter

Norbert Süss hat für seine Schlangenlinienfahrt in der Loebstraße ein Bußgeld kassiert. TV-Foto: Friedemann Vetter

Am liebsten würde Norbert Süss gleich die nächste Ordnungswidrigkeit begehen. ",Achtung, Straße wie in der DDR' würde ich gerne auf die Loebstraße pinseln", schimpft der Rentner aus Trier-Ruwer. "Bei den Schlaglöchern muss man ja Angst um sein Auto und sich selbst haben!"
Generell muss rechts gefahren werden

Als am 17. November plötzlich ein Polizeiwagen hinter ihm fährt, als Süss von Ruwer in die City unterwegs ist, nutzt er die Gelegenheit: "Ich bin extra deutlich um die Schlaglöcher drum herum gefahren, damit die Polizei mal sieht, was für Folgen diese Krater haben." Die Polizei schaltet das Blaulicht an. "Aber ich bin einfach weitergefahren", sagt der 74-Jährige und klingt dabei ein bisschen nach Wutbürger. Mehrmals weicht er bei seiner Protest-Schlangenlinienfahrt auf die Gegenfahrbahn aus.

Die Polizei stoppt Süss schließlich am Verteilerkreis. Einen Alkoholtest muss er nicht machen. Aber ein Verwarngeld von 20 Euro soll er zahlen - wegen Missachtung des Rechtsfahrgebots der Straßenverkehrsordnung. "Da hab ich mich geweigert - was wäre mir denn anderes übriggeblieben, als nach links auszuweichen? Wäre ich mit Tempo 10 durch die Schlaglöcher durchgefahren, hätte ich wahrscheinlich ein Knöllchen wegen Verkehrsbehinderung bekommen."

Erst nachdem ADAC und Rechtsanwalt dem Rentner nahegelegt haben, das mittlerweile auf 33 Euro angewachsene Bußgeld zu zahlen, hat Süss vor einigen Tagen die Summe überwiesen.

"Sie benutzten nicht die rechte Fahrbahnseite", ist als Ordnungswidrigkeit auf dem Bußgeldbescheid angeführt. "Grundsätzlich muss rechts gefahren werden", erklärt Polizei-Pressesprecher Karl-Peter Jochem. "Bei Hindernissen auf der Straße wie Schlaglöchern, muss die Geschwindigkeit angepasst werden." Ob das Ausweichen auf die linke Spur stets eine Ordnungswidrigkeit darstellt, darauf will sich Jochem allerdings nicht festlegen. "Das kommt immer auf den Einzelfall an."

Drei Fragen an...Rechtsanwalt Jürgen Verheul

Wie verhalten sich Fahrer richtig auf Schlaglochstraßen?
Verheul: "Es gilt wie immer: Andere Verkehrsteilnehmer dürfen durch mein Verhalten nicht gefährdet werden. Nach diesem Grundsatz muss ich abwägen, ob ich durch ein Schlagloch fahre - und dabei möglicherweise einen Schaden an meinem Autos riskiere - oder ob ich auf die Gegenfahrbahn ausweichen kann. Bei Gegenverkehr ist das sicher nicht zulässig. Aber auch, wenn Einfahrten in die Gegenfahrbahn münden, könnte mein Ausweichen Verkehrsteilnehmer, die aus diesen herausfahren, gefährden. Grundsätzlich gilt das Rechtsfahrgebot, außerdem muss ich meine Geschwindigkeit den Straßenverhältnissen anpassen - gegebenenfalls durch Tempo 10. Fährt mir einer hinten drauf, weil ich eine Vollbremsung vor einem Schlagloch mache, gilt übrigens nicht unbedingt die Faustformel ,Wer auffährt, hat Schuld', es kann sein, dass ich dann eine Mitschuld trage, weil meine Geschwindigkeit offenbar nicht an die Straßenverhältnisse angepasst war.

Und was, wenn mein Auto oder Motorrad beschädigt wird, weil ich durch das Schlagloch durchfahre statt dran vorbei?
Verheul: "Nur, wenn die Behörde ihre Pflicht zur Verkehrssicherung verletzt hat, können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Wenn die Behörde allerdings auf die Schlaglöcher hinweist, zum Beispiel durch Warnschilder, kommt sie ihrer Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich nach und Schadensersatz ist nicht möglich. Werden von der Behörde gefahrträchtige Schlaglöcher festgestellt, reichen Warnschilder unter Umständen allerdings nicht aus. Die Behörde muss solche Schlaglöcher unverzüglich provisorisch verfüllen."

Tiefe Schlaglöcher lenken die Aufmerksamkeit auf den Straßenbelag - und weg vom fließenden Verkehr. Was, wenn dadurch ein Unfall passiert?
Verheul: "Wenn die Behörde auf die Schlaglöcher hingewiesen hat, hat an einem solchen Unfall niemand anderes Schuld als der Fahrer selbst. Schließlich waren ihm dann die Risiken bekannt. Der Fahrer wusste, dass er neben dem fließenden Verkehr auch auf Schlaglöcher achten und Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit anpassen muss."

Jürgen Verheul ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und ADAC-Vertragsanwalt für Trier.

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