STADTGESPRÄCH

Katastrophen nehmen einer Wohlstandsgesellschaft wie der unseren nicht die Lust am Konsum. Die Welt trauerte noch um die Flutopfer in Asien, als zwei Trierer Anbieter von Unterhaltungselektronik Anfang der Woche parallel den Tag der Preisnachlässe ausriefen.

Die Kunden stürmten die Läden, standen geduldig stundenlang Schlange, ertrugen zu viel Gedränge und zu wenig Sauerstoff, um dann Dinge mit nach Hause zu schleppen, die niemand wirklich dringend braucht, die aber viel Spaß machen können. Und das alles für ein paar Euro weniger. Ein Grund, sich zu ärgern? Gar zu verzweifeln? Leben in Trier pietätlose und unsensible DVD-Glotzer und Playstation-Suchties, denen die unvorstellbare Not in Asien egal ist? Absolut nicht. Eine solche Schlussfolgerung wäre völliger Blödsinn. Der Wunsch, kurz nach den tödlichen Tsunamis den Konsum und die eigenen, manchmal überzogenen materiellen Ansprüche nach hinten zu schieben, ist vollkommen verständlich, und viele haben sich mit Sicherheit danach gerichtet. Dennoch kann man von der Unterhaltungselektronik-Branche auch in einer solchen Situation keinen Stillstand erwarten. Es ist weder unmoralisch noch pietätlos, den Tag der Preisstürze zu nutzen, um endlich die ersehnte Heimkino-Anlage im Wohnzimmer zu installieren - und deshalb Ärger mit der Partnerin zu riskieren, die unter Stil und Design ganz andere Dinge versteht. Die enormen Summen, die zur Zeit gespendet werden, und die zahllosen Hilfsaktionen auf allen Ebenen beweisen, dass die Hilfe für Südasien trotzdem oberste Priorität hat. Jörg Pistorius

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