"Strahlende Gesichter sind Lohn genug"

Trier · Weniger Flüchtlinge bringen für die Erstaufnahmeeinrichtungen eine Atempause. Auch die Stadt Trier muss derzeit für weniger Menschen neue Unterkünfte suchen. Der Bedarf an ehrenamtlicher Hilfe für die Betreuung ist aber immer noch groß.

 Gute Stimmung beim Erinnerungsfoto: Andreas Rump, Nabil und Milada Ishak sowie Frank Doesken (von rechts) präsentieren den instand gesetzten Elektrorollstuhl. TV-Foto: Rainer Neubert

Gute Stimmung beim Erinnerungsfoto: Andreas Rump, Nabil und Milada Ishak sowie Frank Doesken (von rechts) präsentieren den instand gesetzten Elektrorollstuhl. TV-Foto: Rainer Neubert

Trier. Weniger als 20 Asylbegehrende pro Woche kommen in diesen Tagen als Neubürger in die Stadt. Ebenso wie die mehr als 800 Menschen, die seit Mitte 2015 aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zugewiesen wurden, sind sie froh über ehrenamtliche Hilfe. Denn ohne regelmäßigen und intensiven Kontakt zu Einheimischen wäre an eine zügige Integration nicht zu denken.
Wie Flüchtlinge und Helfer voneinander profitieren können, zeigt die Geschichte von Milada und Nabil Ishak. "Ich habe einen neuen Bruder gefunden", freut sich Andreas Rump, der das Paar als ehrenamtlicher Flüchtlingsbegleiter betreut. Er strahlt dabei mit den beiden 58-Jährigen um die Wette. Die koptischen Christen waren vor der Verfolgung aus Ägypten geflohen und über eine Zwischenstation in Kuwait im Sommer 2015 nach Trier gekommen. Nun wohnen sie in einer kleinen Zweizimmerwohnung auf dem Petrisberg. Mindestens eine Tasse Kaffee ist dort für jeden Besucher obligatorisch. "Wir sind sehr froh hier", sagt Nabil Ishak dann in noch unbeholfenem Deutsch.
Was er nicht sagt: Er ist nicht gesund, leidet unter Diabetes und hat Herzprobleme. Wirklich eingeschränkt ist aber seine Frau. Denn als Folge von Kinderlähmung ist sie stark gehbehindert. Um so schlimmer war es, dass der alte Elektrorollstuhl, den sie in der Erstaufnahmeeinrichtung erhalten hatte, schon bald nach dem Umzug auf den Petrisberg seinen Geist aufgegeben hat. Was folgte, ist ein Beispiel gelebter Mitmenschlichkeit. Andreas Rump, der im April 2015 in den Ruhestand gegangen war und danach beim Diakonischen Werk eine Fortbildung zum Flüchtlingsbegleiter absolviert hatte, kümmerte sich sofort intensiv um das Paar in seiner Nachbarschaft. "Für mich war es neben kleinen Hilfestellungen im Alltag eine richtige Aufgabe, die beiden mobil zu halten", sagt der ehemalige leitende Angestellte. "Denn neben dem kaputten Rollstuhl hatte die Frau nur noch ein klapperiges Gehgestell, mit dem sie sich kaum zu Hause bewegen konnte."
Die Reparaturanfrage bei einem Trierer Sanitätshaus war wenig erfreulich. Das Paar konnte sich hohe Kosten und Kaution nicht leisten. Über eine Facebook-Gruppe besorgte Rump mit Hilfe einer Bekannten zumindest einen gut funktionierenden Rollstuhl - kostenlos. Die Sache mit dem Elektrorollstuhl ließ ihn aber nicht los, nur der kann für die kranke Frau auch Mobilität außer Haus bieten.
"Über die Lebenshilfe Trier bin ich zur Frank Doesken und seiner Firma Rehaworld gelangt. Was ich dann erlebt habe, war einfach vorbildlich", schwärmt der Flüchtlingsbegleiter. Nicht nur der kaputte Rollstuhl wurde umfassend und kostenlos instand gesetzt. Als Zugabe brachte ein Mitarbeiter der Orthopädie-Spezialfirma aus Trierweiler auch noch einen modernen Rollator mit.
Für Frank Doesken sind die Flüchtlinge aus Ägypten nicht die Ersten, denen er gerne hilft. "Es berührt mich, dass so viele arme Menschen zu uns kommen", sagt der 53-Jährige, der auch bei den Rollstuhlbasketballern Dolphins Trier aktiv ist. "Wenn man selbst mal im Rollstuhl sitzt, sieht man die Welt zudem mit anderen Augen. Und bei all den Sachen, die bei uns im Lager stehen bleiben und sonst verrotten, ist es doch eine gute Sache, wenn man helfen kann." Im Zweifelsfall werde etwas für die Leute gebastelt. So wie im normalen Geschäftsbetrieb, bei dem individuelle Anfertigungen für Behinderte ihn und seine Firma zum Spezialisten für die ganze Großregion machen.
Beim Kaffee strahlen nun Milada und Nabil Ishak mit Frank Doesken und Andreas Rump um die Wette. Der Besuch des Sprachunterrichts, der Weg zum Arzt und auch einfache Spaziergänge sind für das Paar aus Ägypten nun wieder ohne große Einschränkungen möglich. "Ich habe einen neuen Bruder bekommen", freut sich An dreas Rump über die tiefe Freundschaft mit seinem Schützling und dessen Frau. "Die strahlenden Gesichter sind Lohn genug für mich."Meinung

Gelebte Integration
Integration ist mehr als Willkommenskultur. Das sollte auch angesichts der deutlich geringeren Zahl der Flüchtlinge nicht vergessen werden, die es seit der Blockade der Balkanroute bis nach Trier schaffen. Integration erfordert gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Wie ließe sich die besser erlernen und üben als beim intensiven Kontakt mit einheimischen Nachbarn, Helfern und Freunden? Mehr als 800 Menschen, die seit dem Sommer aus Syrien, Afghanistan, dem Iran oder Somalia geflohen sind, leben unter uns. Viele von ihnen brauchen Hilfe. Die meisten werden sich mit Freundschaft und Herzlichkeit bedanken. Vielleicht tragen diese Wochen des Durchschnaufens ja auch dazu bei, die Flüchtlingsdiskussion in Trier zu versachlichen. Es wäre wünschenswert. r.neubert@volksfreund.deExtra

75 Flüchtlingsbegleiter hat die Ehrenamtsagentur Trier in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk bislang ausgebildet. Ein fünfter Lehrgang für weitere 20 Helfer startet demnächst. "Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Trier ist noch immer enorm", freut sich Olga Hermann, die für den Bereich Flüchtlingshilfe verantwortlich ist. Besonderen Bedarf gebe es für Helfer bei der Sprachvermittlung. Auch die Wohnungssuche sei immer ein Thema. Im April sollen nun monatliche Austauschtreffen für alle Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe starten. r.n. Kontakt: Ehrenamtsagentur Trier, Balduinstraße 6, Telefon 0651/9120702, www.ehrenamtsagentur-trier.de

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