Tankstelle auf der Trierer Ostallee: Wie funktioniert eigentlich so ein Bürgerentscheid?

Trier · Bleibt der Trierer Stadtrat bei seinem Nein zur Aral-Tankstelle in der Ostallee, kommt es zum Bürgerentscheid. Der TV erklärt, welche organisatorischen Herausforderungen dahinterstecken und warum Grillsteaks zum Reisebedarf gehören.

Tankstelle auf der Trierer Ostallee: Wie funktioniert eigentlich so ein Bürgerentscheid?
Foto: Friedemann Vetter

Alles gar nicht so einfach: Wenn über die Zukunft der Tankstelle in der Ostallee per Bürgerentscheid abgestimmt wird, bedeutet das für die Stadtverwaltung auch eine große logistische Aufgabe. Der TV hat bei Ralf Frühauf, Pressereferent der Stadtverwaltung, nach Details gefragt.

Müssen für einen Bürgerentscheid wie bei Kommunal- oder Bundestagswahlen Wahllokale in der gesamten Stadt eingerichtet werden?
Ralf Frühauf: Grundsätzlich werden bei Wahlen in Trier 72 Wahllokale eingerichtet. Davon kann abgewichen werden, wenn eine niedrigere Wahlbeteiligung als beispielsweise bei Bundestagswahlen erwartet werden kann.
Analog zu rheinland-pfälzischen Städten in vergleichbarer Größe, die bereits eine solche Abstimmung im Rahmen eines Bürgerentscheids durchgeführt haben oder unmittelbar davor stehen, werden wir in Trier höchstwahrscheinlich etwa 50 Wahllokale einrichten. Dabei wird auf jeden Fall sichergestellt, dass jeder Ortsbezirk mindestens ein Wahllokal haben wird.

Würde der Bürgerentscheid - analog zu anderen Wahlen - an einem Sonntag stattfinden?
Frühauf: Ja, das ist gesetzlich vorgeschrieben.

Wie viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung und wie viele ehrenamtliche Wahlhelfer wären im Einsatz?
Frühauf: Bei der Bundestagswahl im September 2017 werden etwa 330 städtische Mitarbeiter sowie 500 Wahlhelfer aus der Bevölkerung eingesetzt. Weil bei einem Bürgerentscheid weniger Wahllokale eingerichtet werden, würde auch die Zahl der Helfer sinken - auf etwa 500 insgesamt.

Können die Kosten für den Wahlgang beziffert werden, also für Mitarbeiterstunden, Raummieten, Aufwandsentschädigungen für die Helfer …?
Frühauf: Bei Wahlen mit 72 Wahllokalen belaufen sich diese Kosten auf etwa 230 000 Euro, inklusive der Ausgaben für Bekanntmachungen, die Ausstattung der Wahllokale, Mietkosten für die Räume, Versendung der Wahlbenachrichtigungen inklusive Porto, die Kosten für sämtliche Wahlhelfer sowie den Druck der Stimmzettel. Werden lediglich 50 Wahllokale eingerichtet, verringern sich diese Ausgaben wohl auf etwa 200 000 Euro - wobei eine genaue Bezifferung im Voraus schwierig ist, weil ein Bürgerentscheid ja erstmalig durchgeführt würde.

Welche Kosten fallen denn für die Vorbereitung des eigentlichen Entscheids an?
Frühauf: Die Vorbereitungen haben mit der Prüfung der eingereichten Unterschriften begonnen, wofür sechs Mitarbeiter insgesamt 480 Stunden eingesetzt waren. Das hat Personalkosten in Höhe von insgesamt rund 9000 Euro verursacht. Die darüber hinaus erforderlichen Arbeitsstunden zur Vorbereitung können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden.
Laut Gemeindeordnung sind Bürgerbegehren nicht zulässig über die Aufstellung, Änderung und Aufhebung von Bauleitplänen. In zwei Bürgerbeteiligungsverfahren hatten sich die Anwohner allerdings gegen die Tankstelle ausgesprochen.

Auch im städtischen Mobilitätskonzept ist ein durchgängiger Grünstreifen im Alleenring mit Radstreifen ein formuliertes Ziel. Ist das Bürgerbegehren trotz dieser vorhergehenden Beschlüsse rechtens?
Frühauf: Die Gemeindeordnung schließt Bürgerbegehren nur bei förmlichen Verfahren im Rahmen der Bauleitplanung aus. Was in nichtförmlichen oder informellen Beteiligungsverfahren - wie zum Beispiel bei Bürgerbeteiligungen - oder auch Konzepten wie dem Mobilitätskonzept als "bauleitplanerische Absicht" festgehalten wurde, ist unerheblich für die Zulassung eines Bürgerbegehrens.

Wie sehen die aktuellen Pläne für einen Radweg am Alleenring aus? Wird immer noch an den Plänen eines Wegs im Grünstreifen festgehalten oder ist mittlerweile ein - auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ADFC präferierter - Rad-Schutzstreifen auf der Fahrbahn ins Auge gefasst?
Frühauf: Konkrete Entwurfsplanungen liegen noch nicht vor. Die Aussagen des Radverkehrskonzepts sowie aktuelle konzeptionelle Planungsüberlegungen favorisieren aber eindeutig die Herstellung eines Radwegs im Grünstreifen der Allee. Radfahrstreifen auf der Fahrbahn werden zum jetzigen Zeitpunkt als nicht umsetzbar eingestuft.

Bei welchem Wahlergebnis müsste der Pachtvertrag mit der Tankstelle verlängert werden?
Frühauf: Mindestens 15 Prozent aller Wahlberechtigten müssten bei dem Entscheid für den Erhalt der Tankstelle stimmen. Gleichzeitig muss es mehr Zustimmungen geben als Ablehnungen - die Tankstellen-Befürworter müssen also insgesamt die Mehrheit haben.
Eine genaue Zahl der erforderlichen Stimmen kann derzeit nicht genannt werden. Dafür muss erst ein Abstimmungsverzeichnis erstellt werden, in dem alle Menschen, die ihre Stimme abgeben dürfen, aufgelistet sind.
Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass 15 Prozent aller wahlberechtigter Trierer etwa 13 000 Bürgern entspricht. Nimmt man unter dieser Voraussetzung an, 13 000 Trierer stimmen für die Tankstelle und 13 001 dagegen, müsste der Pachtvertrag nicht verlängert werden.
Bei einer Stimmengleichheit wäre die Frage ebenfalls mit "Nein" entschieden. Verpassen die Befürworter die Mehrheit, hat der Stadtrat noch mal über die Angelegenheit zu entscheiden.

Worüber genau wird beim Bürgerentscheid eigentlich entschieden?
Frühauf: Kommt es zum Bürgerentscheid, müssen die Trierer exakt die gleiche Frage mit Ja oder Nein beantworten, mit der die Unterschriftenliste überschrieben war, die das Bürgerbegehren in Gang gesetzt hat. Und diese Frage lautete: Soll der Stadtvorstand den Pachtvertrag der Tankstelle Ostallee um zehn Jahre plus einer Option auf weitere fünf Jahre verlängern?

Mit der jüngsten Pachtverlängerung 2011 wurde dem Pächter der Tankstelle auferlegt, sich an das sogenannte Frankenthaler Modell zu halten. Nach diesem dürfen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr pro Person und Nacht maximal zwei Liter Getränke mit bis zu acht Volumenprozent Alkohol - zum Beispiel Bier - oder maximal ein Liter mit acht bis 14 Prozent - Wein oder Sekt - verkauft werden. Spirituosen mit mehr als 14 Prozent dürfen in den Nachtstunden gar nicht abgegeben werden. Wie wurde diese Regel in den vergangenen Jahren an der Aral-Tankstelle kontrolliert?
Frühauf: Im Mai dieses Jahres wurden vom Kommunalen Vollzugsdienst verstärkte Kontrollen durchgeführt. Dabei wurden keine Verstöße festgestellt. Nach Auskunft des Kommunalen Vollzugsdiensts ist es in diesem Bereich in der Vergangenheit auch zu keinerlei Lärmbelästigungen gekommen.

Laut Ladenöffnungsgesetz dürfen die Betreiber von Tankstellen an Sonn- und Feiertagen sowie nachts sogenannten "Reisebedarf" verkaufen. Dazu gehören Zeitungen, Bücher, Tabakwaren, Blumen, Toilettenartikel, Spielzeug, Lebensmittel in kleineren Mengen und auch alkoholische Getränke. Soweit ist das nachvollziehbar. Aber welcher Reisende benötigt unterwegs rohes Grillfleisch?
Frühauf: Der Begriff "Reisebedarf" scheint in manchen Fällen schon etwas strapaziert zu werden. Doch wer sonntagsabends noch schnell was für den Grill braucht, der kann durchaus gesetzeskonform als Reisender in Sachen Nahrungsbeschaffung auch fünf Schwenkbraten bei der Tanke "holen".Extra: BÜRGERENTSCHEIDE IN RHEINLAND-PFALZ

 Soll der Pachtvertrag der Aral-Tankstelle um mindestens zehn Jahre verlängert werden? Eingerichtet werden müssen für diesen Bürgerentscheid Wahllokale und – wie auf unserem Archivfoto von der Bundestagswahl 2013 zu sehen – Wahlkabinen. Bleibt die Tanke, dürfen dort auch weiter Schwenker verkauft werden – denn Grillgut zählt zum Reisebedarf. TV-Foto: Friedemann Vetter/Foto: pixabay.com

Soll der Pachtvertrag der Aral-Tankstelle um mindestens zehn Jahre verlängert werden? Eingerichtet werden müssen für diesen Bürgerentscheid Wahllokale und – wie auf unserem Archivfoto von der Bundestagswahl 2013 zu sehen – Wahlkabinen. Bleibt die Tanke, dürfen dort auch weiter Schwenker verkauft werden – denn Grillgut zählt zum Reisebedarf. TV-Foto: Friedemann Vetter/Foto: pixabay.com

Foto: (wh_wtl )

Seit die damalige rot-grüne Landesregierung 2010 die Themen und Bereiche, zu denen Bürgerbegehren möglich sind, per Gesetz ausgeweitet hat, ist deren Zahl gestiegen. Zwischen 2010 und 2017 wurden laut der Datenbank des Vereins "Mehr Demokratie" im Land insgesamt 92 Bürgerbegehren eingeleitet. In Trier selbst hat es noch keins gegeben, in der Region allerdings mehrere: In der Verbandsgemeinde Kell am See etwa hatten Bürger angesichts der bevorstehenden Gebietsreform ein Bürgerbegehren "gegen den Wechsel von Kell in die Verbandsgemeinde Hermeskeil" eingereicht - mit Erfolg: Der Entscheid fiel im Sinne der Antragsteller aus (der TV berichtete). Mit dem Bürgerbegehren "gegen die Schließung von Grundschulen" war eine andere Initiatorengruppe, ebenfalls aus Kell am See, dagegen gescheitert: Der Bürgerentscheid fiel gegen ihr Begehren aus. Bekanntheit hat ein Bürgerentscheid im Landkreis Mainz-Bingen, der eine neue Rheinbrücke im Bereich Bingen-Rüdesheim fordert. Der Landkreis hatte, nachdem die Initiatoren ausreichend viele Unterschriften gesammelt hatten, den Entscheid parallel zur Bundestagswahl am 24. September angesetzt - Bürgerentscheide und Wahlen dürfen allerdings nicht gleichzeitig im selben Wahllokal vonstattengehen. Nun wird der Bürgerentscheid wahrscheinlich abgeblasen. Denn der Kreistag hat angekündigt, die von den Initiatoren des Bürgerentscheids geforderte Machbarkeitsstudie von sich aus in Auftrag zu geben.

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