Unwetter Unwetter in Trier: Als die Flut das Maarviertel traf

Trier · Kellerräume voller Brühe und Dreck: Anwohner in Trier-Nord kritisieren Abwassersystem der Stadtwerke.

Nur knapp zwei Kilometer Luftlinie sind es von der Wetterstation auf dem Petrisberg bis zur Maarstraße in Trier-Nord. Aber während auf der Höhe am späten Donnerstagnachmittag nur ein stärkerer Schauer mit vier Litern Regen pro Quadratmeter runterging, öffnete der Himmel über dem Maarviertel seine Schleusen: Bis zu 50 Liter Regen fielen dort am Donnerstag zwischen 16 und 17 Uhr. „Besonders die Nord- und die Weststadt waren betroffen, rund 30 Liter waren es wohl auf jeden Fall pro Quadratmeter – bis zu 50 Liter sind möglich“, sagt Thore Hansen, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst.

Bereits ab einer absehbaren Menge von 25 Litern Regen pro Quadratmetern und Stunde gibt der Deutsche Wetterdienst Unwetterwarnungen heraus. „Ab 25 Litern können Straßen und Keller volllaufen, bei 50 Litern in dicht besiedelten Innenstädten, bei denen die Oberflächen mit Straßen und Wohnbebauung versiegelt sind, sind die Auswirkungen entsprechend stärker“, sagt Hansen.

Vor allem in Trier-West und in Trier-Nord liefen am Donnerstag Dutzende Keller voll, in den Straßen stand knöcheltief das Wasser (siehe Meldung rechts).

Frank Simon, ein Anwohner des Maarviertels, gehört zu den Betroffenen. Der Keller seines Hauses sieht schlimm aus. „Ich kann die Gesamthöhe der Schäden noch gar nicht abschätzen“, sagt Simon, der am Freitag noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt war. „Ich habe so etwas noch nie erlebt. Das Wasser stand hier im Viertel einen Meter hoch.“

Simon hat die Folgen in seinem Haus ausführlich dokumentiert und legt ein mehrere Sekunden langes Video vor, das eine Szene aus seinem Keller zeigt. Eine Szene, die kaum zu glauben ist. Sie zeigt einen Raum, in dem eine braune Brühe mehrere Zentimeter hoch steht – und eine Toilette, die wie ein ausbrechender Vulkan überläuft. Das Video ist auf volksfreund.de zu sehen. „Ich habe mich mit meinem gesamten Gewicht auf den Toilettendeckel gestützt, um das Wasser zu stoppen“, erzählt der Anwohner des Maarviertels. „Es hat nichts genützt, das Wasser hat mich einfach weggedrückt.“

Nicht zum ersten Mal steht das Wasser in Frank Simons Keller, deshalb hat er dort vier Pumpen installiert. „Obwohl es sich um sehr leistungsstarke Geräte handelt, konnten sie die Überflutung nicht verhindern.“ Simon verbirgt seine Ratlosigkeit und Frustration nicht. Truhen, Schränke, ein Trockner, eine Waschmaschine und viele einzelne im Keller gelagerte Gegenstände seien in der verdreckten Brühe versunken. Dabei sei die Problematik im Maarviertel seit Jahren bekannt. „Es ist der Kanal“, sagt Simon. „Er ist viel zu alt und wird nicht regelmäßig und ordnungsgemäß gewartet“, glaubt er.

Trägt eine Versicherung die entstandenen Schäden? „Ich habe keine Elementarversicherung, die mich vor den Folgen von Naturgewalten schützt“, sagt er. Da der Damm am Moselufer gerade erst komplettsaniert worden ist, gilt eine Hochwasserkatastrophe in Trier-Nord zurzeit als eher unwahrscheinlich. „Und mit Starkregen muss der Kanal fertigwerden“, fordert Frank Simon. „Ich werde das nicht einfach hinnehmen. Die Stadt muss hier eingreifen.“

Auch TV-Leser Joachim Steinlein beschwert sich: „Bereits seit mehr als 20 Jahren ist das Abwasserproblem bekannt: Der Kanal im Bereich Maarviertel und Zurmaienerstraße ist 120 Jahre alt – aber ja angeblich immer noch groß genug, obwohl zahlreiche Neubauten zusätzlich angeschlossen wurden.“ Schon vor zwei Jahren war Steinlein der Keller nach einem extremen Rregen vollgelaufen. Nicht nur eine Rückschlagklappe, auch eine Hebeanlage – eine Pumpe, die Abwasser auf das Niveau höher gelegener Kanäle pumpt – habe er in seinem Keller einbauen lassen. „Und trotzdem hat sich wieder ein Rückstau gebildet!“, schimpft Steinlein. Dass der Kanal ausreichend dimensioniert sei und regelmäßig gewartet wird, bezweifelt Steinlein.

Die Stadtwerke weisen den Vorwurf zurück. „Alle Anlagen – Pumpwerke, Rückhaltebecken und so weiter – haben am Donnerstag einwandfrei funktioniert, sagt SWT-Pressesprecher Carsten Grasmück. Der Kanal im Maarviertel sei zwar bereits 1902 gebaut worden, aber völlig intakt. „Er wird regelmäßig überprüft, jährlich gereinigt und wurde im August 2017 zum letzten Mal mit einer Kamera befahren und kontrolliert.“

 Aus der Stützmauer entlang des Sirzenicher Bachs am Trier-Palliener Mühlenweg ist ein großes Stück herausgebrochen. Wenige Meter bachaufwärts ist vor knapp zehn Monaten ein großes Mauerstück eingestürzt.

Aus der Stützmauer entlang des Sirzenicher Bachs am Trier-Palliener Mühlenweg ist ein großes Stück herausgebrochen. Wenige Meter bachaufwärts ist vor knapp zehn Monaten ein großes Mauerstück eingestürzt.

Foto: TV/Roland Morgen
 So sah es während des Starkregens in Trier aus. Ein TV-Leser hat diese Szene aus Pallien festgehalten. Bis zu 50 Liter pro Quadratmeter fielen im Norden und Westen Triers.

So sah es während des Starkregens in Trier aus. Ein TV-Leser hat diese Szene aus Pallien festgehalten. Bis zu 50 Liter pro Quadratmeter fielen im Norden und Westen Triers.

Foto: TV/privat
 Land unter im Maarviertel: Hier liefen viele Keller voll. Die Höhe der Schäden steht noch nicht fest.

Land unter im Maarviertel: Hier liefen viele Keller voll. Die Höhe der Schäden steht noch nicht fest.

Foto: TV/privat
 Unwetter Frank Simon Keller 2

Unwetter Frank Simon Keller 2

Foto: TV/privat

Durch die größten Kanäle im Maarviertel (Durchmesser: 1,70 Meter) könnten bis zu 3000 Liter Wasser pro Sekunde ablaufen, durch die kleinsten (35 Zentimeter Durchmesser) rund 800 Liter. Die Dimensionierung des Kanalnetzes im Maarviertel entspreche der Deutschen Industrienorm EN 752. Diese DIN sieht  – vereinfacht gesagt – vor, dass Kanalsysteme zwar Starkregen verkraften, allerdings nicht zwingend auf so extreme Regenfälle ausgelegt sein müssen, wie sie statistisch gesehen nur alle drei Jahre vorkommen. „Die Kanalinfrastruktur ist nicht dafür ausgelegt, solch extreme Wassermassen in so kurzer Zeit abzutransportieren“, bestätigt SWT-Pressesprecher Grasmück. Im Klartext: Das Maarviertel muss – statistisch gesehen – alle drei Jahre mit vollgelaufenen Kellern rechnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort