Haushalt Drei Millionen Bücher, drei Millionen Minus in Trier

Trier · Aus Kostengründen fordert der Landesrechnungshof, dass die Trierer Stadtbibliothek massiv ihren Bestand reduzieren soll.

 Wertvolle Schriften der Stadtbibliothek Trier.

Wertvolle Schriften der Stadtbibliothek Trier.

Foto: Friedemann Vetter

Wer in Trier Lesestoff ausleihen möchte, hat die Qual der Wahl: Knapp drei Millionen Bücher und Zeitschriften – gebunden oder auf digitalen Datenträgern – warten in sieben Bibliotheken auf Leser.

Pflege, Archivierung und das Verleihsystem sind allerdings aufwendig und damit teuer: Die Stadt macht mit Stadtbibliothek und Stadtarchiv in der Weberbach sowie der Bibliothek im Palais Walderdorff zusammen alljährlich ein Minus von bis zu drei Millionen Euro.

Der Landesrechnungshof hat die Zahlen analysiert (siehe Info). Sein Fazit: Die Stadt lasse sich angesichts ihrer „äußerst prekären finanziellen Lage“ ihre Büchereien viel zu viel kosten. Zumal die Bibliothek der Universität mit einem Buchbestand von fast 1,7 Millionen Büchern und die Buchbestände des Priesterseminars, der Hochschule und des Rheinischen Landesmuseums ein sehr großes Angebot vorhalten würden. „Die örtliche Versorgung mit wissenschaftlicher Literatur ist mehr als hinreichend sichergestellt“, urteilt der Landesrechnungshof.

Die Stadtbibliothek in der Weberbach sei daher in ihrer jetzigen Form nicht weiter finanzierbar. Die konkreten Sparvorschläge des Rechnungshofs sind radikal: Bis auf die 5000 wertvollen mittelalterlichen Handschriften, die etwa 3000 frühen Drucke aus dem späten Mittelalter – sogenannte Inkunabeln –  sowie einige weitere „für die Stadtgeschichte als unverzichtbar zu erachtende Werke“ soll der Bestand der Stadtbibliothek aufgelöst werden.

„Denkbar wäre, einen Großteil der seit 1850 beschafften Literatur antiquarischen Verlagen oder anderen Bibliotheken anzubieten“, schlägt der Rechnungshof vor.

Würde die Stadtbibliothek ihren Bestand so reduzieren, in Zukunft nur noch wirklich wertvolle Schenkungen annehmen und auch das Sammeln aller möglichen Bücher mit regionalem Bezug aufgeben, könnte die Stadt 500 000 Euro pro Jahr sparen, behauptet der Landesrechnungshof.

Der Rechnungshof sieht weiteres Sparpotenzial: Selbst wenn der aktuelle Bücherbestand erhalten bliebe, würden statt der bis dato zwei Vollzeitkräfte ein Mitarbeiter ausreichen, um anfallende Buchbinde- und Reparaturarbeiten zu erledigen. Zusätzlich könne eine von drei Hausmeisterstellen gestrichen werden. Zusammen würde das die Kosten um zusätzliche knapp 100 000 Euro pro Jahr senken.

Eine umfangreiche Reduzierung des Buchbestands würde allerdings auch die großen Platzprobleme von Bibliothek und Archiv lösen. Denn schon seit Jahren reicht das Gebäude in der Weberbach – das jüngst seinen 60. Geburtstag gefeiert hat – nicht mehr aus. Über die Stadt verstreut sind zusätzliche Lagerflächen angemietet, zum Beispiel in der Grundschule Ruwer.

Die Ausweichquartiere machen allerdings nicht nur Probleme durch den hohen Aufwand, der mit ihnen verbunden ist, zum Beispiel durch regelmäßige Botenfahrten zwischen den einzelnen Standorten.

Im Keller der Berufsschule sorgt Feuchtigkeit dafür, dass das Archivmaterial vor sich hin schimmelt. „Sämtliche Außenlager, die vom Stadtarchiv und der Stadtbibliothek genutzt werden, entsprechen in keiner Weise den Anforderungen nach DIN ISO 11799 zur Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut“, heißt es dazu in einem städtischen Schreiben.

Dabei ist die Stadt laut Landesarchivgesetz und Landesbibliotheksgesetz dazu verpflichtet, behördliche Unterlagen mit dauerhafter Bedeutung für die Stadt angemessen zu sortieren und zu lagern. Diese gesetzliche Pflichtaufgabe werde in Trier allerdings „nur mangelhaft erledigt“, heißt es im Bericht des Landesrechnungshofs. Angesichts der „räumlichen Rahmenbedingungen“ sei das Stadtarchiv „nicht mehr in der Lage, seine Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen“, urteilt der LRH, und weiter: „Dies sollte nicht hingenommen werden.“

Folgt die Stadtbibliothek dem Vorschlag des Rechnungshofs und reduziert ihren Bestand drastisch, würden allerdings rund 8000 Regalmeter frei. Damit gäbe es Platz, um die für die Stadtgeschichte wichtigen Dokumente „angemessen zu sortieren und zu lagern“, wie der Rechnungshof schreibt.

Und zwar inklusive des Archivguts, das sich in den nächsten 30 bis 40 Jahren noch zusätzlich ansammeln werde. „Mit zusätzlichen Haushaltsbelastungen verbundene Baumaßnahmen zur Schaffung weiterer Flächen wären damit hinfällig“, schreibt der Landesrechnungshof.

In seiner jüngsten Sitzung im Dezember hat der Trierer Stadtrat dagegen einen anderen Kurs eingeschlagen: Statt Bestand und Bibliotheksflächen zu reduzieren, sollen 2000 Quadratmeter Raum für Stadtbibliothek und -archiv neu geschaffen werden. Wo genau die Regale und Magazine aufgestellt werden und was das kostet steht noch nicht fest. Trotzdem stimmte der Stadtrat der Beschlussvorlage von Bildungsdezernentin Angelika Birk mehrheitlich zu.

Der Bericht des Landesrechnungshofs war dem Stadtrat zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt.

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