Philosophie Von Abiturienten und Philosophen

Trier · Ein Professor stellt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Karl Marx, Oswald von Nell-Breuning und Joseph Höffner dar – und was Nell-Breuning von Karl Marx so hielt.

 Corinna Dräger (Vorsitzende des Vereins der Ehemaligen des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums), Referent Wolfgang Ockenfels und Kirstin Mannhardt (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum am Dom).

Corinna Dräger (Vorsitzende des Vereins der Ehemaligen des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums), Referent Wolfgang Ockenfels und Kirstin Mannhardt (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum am Dom).

Foto: TV/Verein der Ehemaligen des FWG

Mit gleich drei berühmten Abiturienten des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums (FWG) beschäftigte sich Professor Wolfgang Ockenfels, vormals Lehrstuhlinhaber für christliche Sozialwissenschaften an der Theologischen Fakultät Trier, kürzlich in einem gut besuchten Vortrag im Museum am Dom. Der Vortrag war der dritte einer kleinen Reihe von Begleitvorträgen zum Karl-Marx-Jahr des Vereins der ehemaligen Schüler und Lehrer des FWG mit verschiedenen Kooperationspartnern. Die Frage „Was verbindet – was trennt?“ ließ erkennen, dass nach Auffassung von Ockenfels die Gemeinsamkeiten zwischen dem Sozialrevolutionär Karl Marx (Abitur 1835) und seinen beiden späteren Koabiturienten Oswald von Nell-Breu­ning (Abitur 1908) und Joseph Höffner (Abitur 1926) überwiegend äußer­licher Natur seien.

Tatsächlich setzten sich die katholischen Priester und Sozialethiker Nell-Breuning und Höffner stets für eine evolutionäre und sozialreformerische Entwicklungsperspektive hin zu einer sozialen Marktwirtschaft und einem sozial gerechten Ausgleich ein. Bei Marx dominierte dagegen die Vorstellung einer gewaltsamen revolutionären Umwälzung mit dem erwünschten Resultat einer Diktatur des Proletariats das perspektivische Denken. Marx hat nach Meinung von Ockenfels den „antikapitalistischen Klassenkampf“, dem im Verlauf des 20. Jahrhunderts über hundert Millionen Menschen weltweit zum Opfer fielen, grundsätzlich legitimiert. Daher habe Nell-Breu­ning zwar etwas missverständlich davon gesprochen, dass „wir auf den Schultern von Marx stünden“; zugleich habe er jedoch 1983 bei einer Festveranstaltung im FWG klargestellt: „Wir können uns unseres Mitschülers Marx unmöglich rühmen“, da dieser so großes Unglück über die Menschheit gebracht habe.

Laut Ockenfels hat im Denken von Joseph Höffner die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit mit sozialer Liebe und von Christentum und Menschenwürde eine zentrale Rolle gespielt. Er habe damit das Zweite Vatikanum (1962 bis 1965) und die päpstliche Lehrmeinung in der Nachkriegszeit maßgeblich beeinflusst. Die Frage nach einer gerechten Wirtschaftsordnung und einer sozialen Bändigung des entfesselten Kapitalismus beschäftigten ihn und zeitlebens auch den Jesuiten Nell-Breuning, dessen prägenden Einfluss auf die päpstliche Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ von 1931 Ockenfels hervorhob. Ockenfels gestand zu, dass Marx bereits 1848 im „Kommunistischen Manifest“ einen visionären Blick auf den weltweit agierenden Kapitalismus entwickelt habe; jedoch hätten Nell-Breuning und vor allem Höffner, der spätere Kardinal und Erzbischof von Köln, in seiner „Kolonialethik“ vorwärtsweisende Ideen und Vorstellungen zu einem weltweiten gerechten Ausgleich entwickelt – in einer immer stärker globalisierten Welt ebenfalls visionäre Gedanken.

Im Anschluss an seinen Vortrag stellte sich Ockenfels einer angeregten Diskussion. Mit Dankesworten und einem Weinpräsent verabschiedete Corinna Dräger, die Vorsitzende des FWG-Ehemaligenvereins, ihren früheren akademischen Lehrer.

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