Trierer Grüne wollen eigenen OB-Kandidaten

Trier · Wolfram Leibe (SPD) und Hiltrud Zock (CDU) sind zu "ungrün", deshalb werden die Trierer Grünen keinen der beiden Oberbürgermeisterkandidaten unterstützen. Wo genau die Differenzen liegen, durfte die Basis am Mittwochabend jedoch nicht erfahren - ebenso wenig wie die Namen möglicher eigener Kandidaten.

Trier. Rainer Landele, ein Grüner aus Trier, ist sauer. "Die Mitgliederversammlung ist das wichtigste Gremium der Partei", wirft er dem Vorstand der Grünen am Mittwochabend im Café Balduin entgegen. "Es ist inakzeptabel, dass die Basis nicht erfahren soll, wo genau die Differenzen zu Hiltrud Zock und Wolfram Leibe liegen."
Die Betonung liegt auf "genau", denn Vorstandssprecher Wolf Buchmann bleibt in seiner Erklärung vage. "Wir haben mit beiden Kandidaten gesprochen", erklärt Buchmann der versammelten grünen Basis. "Trotz einiger inhaltlicher Übereinstimmungen ist für uns deutlich geworden, dass die Differenzen in zentralen Sachfragen zu groß sind." So groß, dass ein Wahlbündnis wie 2007 mit Klaus Jensen nicht in frage komme. "Die beiden Kandidaten haben uns nicht mitgerissen, der Funke ist nicht übergesprungen", ergänzt Anja Reinermann-Matatko. "Das war bei Klaus Jensen anders." In der Diskussion fällt auch der Satz "Beide sind zu ungrün."Vertrauliche Gespräche


Das ist dann auch alles, mehr soll die Mitgliederversammlung nicht erfahren. Reiner Marz erklärt den Grund: "Die Gespräche mit beiden Kandidaten sind vertraulich gelaufen. Es wäre nicht anständig, alle Inhalte hier wiederzugeben." Dem muss sich auch Landele fügen. Er tut es mit dem Schlusssatz "In Zukunft muss das anders laufen."
Einstimmig nimmt die Mitgliederversammlung den Antrag an, einen eigenen Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl am 28. September zu nominieren. Man habe bereits einige aussichtsreiche Gespräche geführt, betont Buchmann - und zieht sofort wieder die Handbremse. "Ihr werdet heute keine Namen hören."
Die Gespräche, so betont Buchmann, dauern teilweise noch an. "Wir wollen diesen Prozess bis nach der Kommunalwahl abgeschlossen haben, um unmittelbar nach dieser einen Kandidaten oder eine Kandidatin wählen zu können." Eine fünfköpfige "Vorbereitungsgruppe" soll der Mitgliederversammlung bis Mitte Juni einen Personalvorschlag präsentieren. Ebenfalls einstimmig bestimmen die Grünen die Mitglieder dieser Gruppe: Spitzenkandidatin Petra Kewes, Anja Reinermann-Matatko, Thorsten Kretzer, Hartwig Johannsen und Rainer Landele.Zu viele Baustellen


Auch mit Angelika Birk habe der Vorstand gesprochen, erklärt Buchmann. Doch die Schul- und Sozialdezernentin und Bürgermeisterin stehe als Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl nicht zur Verfügung. Das hat Birk bereits in einem TV-Interview Anfang Februar erklärt. "Angelika hat uns daraufhin klar gesagt, sie habe als Dezernentin enorm viele Baustellen und könne unmöglich ein halbes Jahr Wahlkampf führen."
Nach diesen beiden einstimmigen Beschlüssen ist das Thema Oberbürgermeisterwahl vorerst abgehakt, der Rest des Abends im Café Balduin dreht sich um das Kommunalwahlprogramm der Grünen.Meinung

Mutig, aber auch riskant
Wie bereits 1998, als sie Reiner Marz zum Oberbürgermeisterkandidaten nominierten, geht es den Trierer Grünen nicht in erster Linie um den Sieg. Sie wollen Unabhängigkeit und Distanz betonen, Flagge zeigen. Das Experiment Klaus Jensen, den sie 2006 als aus der SPD kommenden Kandidaten unterstützt haben, ist offenbar gescheitert. Aber die Partei setzt sich mit diesem Kurs auch gewaltig unter Druck. Sollte die Vorbereitungsgruppe einen mit großer Mühe überredeten Alibi-Bewerber aus den eigenen Reihen oder einen völlig Unbekannten aus irgendeinem Landesvorstand oder einer Ministerriege präsentieren, so ist das keine Unabhängigkeit, sondern pure Verzweiflung. Der grüne Kandidat wird einen gewaltigen Rückstand aufholen müssen: Wenn er präsentiert wird, sind Hiltrud Zock und Wolfram Leibe schon lange im Wahlkampf unterwegs. So kann die durchaus mutige Entscheidung der Grünen leicht zum Schuss ins eigene Knie werden. j.pistorius@volksfreund.de

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