Trierisch Balaawern

Es gibt eine große Zahl von Wörtern, die man in Gesellschaft meidet, weil sie gemein, ordinär und vulgär klingen. Es ist nicht nötig, hier Beispiele aufzuzählen.

 MundartexperteHorst Schmitt.

MundartexperteHorst Schmitt.

Foto: (h_lalu )

Jeder kennt sie. Wer noch welche dazulernen möchte, erfährt sie bei den einschlägigen Fernsehsendern. Manche solcher Wörter tauchen aber in der Mundart unter einer anderen Bedeutung auf und sind dann zwar immer noch derb, aber durchaus salonfähig. Ein gutes Beispiel ist das (besonders in Biewer gebräuchliche) Eigenschaftswort hur. Im Niederdeutschen bedeutet huur mieten und verhuur vermieten. Eine Hure ist demnach eine Frau, die ge-mietet wird, und die Bezeich-nung ist ein übles Schimpfwort. Man sollte meinen, wenn Sachen oder Personen als hur bezeichnet werden, sei dies der Gipfel der Verachtung. Das ist aber in der Mundart durchaus nicht so! Hier gewinnt das Wort reiche Vielfalt: Ganz Unter-schiedliches, von Verärgerung bis Hochachtung, kann durch das Adjektiv ausgedrückt werden. Zugegeben, derb klingt das Folgende schon, aber eben nicht ordinär oder vulgär: Dän hure Jong öss mött seim huren Aorsch önn dän hure Baach gefaal. = etwa: Der tölpelhafte Junge ist mit seinem blöden Hinterteil in den verflixten Bach gefallen. Dän hure Rän heert nött obb! = Der blöder Regen hat kein Ende! Immer wenn etwas quer kommt, ist hur verwendbar: hur Onnkraud, huren Zaanarzt, hur Finanzamt, hur Rheuma. Richtig respektvoll klingt das Wort bei Personen, die durch ihre Leistung oder ihre Originalität positiv auffallen: Dän huren August haott als widder zwai Ellwer gehaal! = August, der Teufelskerl, hat schon wieder zwei Elfmeter gehalten. Datt hur Kapplänschi göfft aanes Daachs naoch Bischoff. = Dieser tolle Kaplan hat das Zeug zum Bischof. August wird sich über das Lob gefreut haben. Ob der Kaplan das Kompliment verstanden hat, ist nicht überliefert. Horst Schmitt ist Autor des Trie rer Wörterbuchs, das im Trier-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich ist. Gemeinsam mit Josef Marx hat er über 10 000 Stichwörter in Hochdeutsch-Trierisch und Trierisch-Hochdeutsch zusammengetragen. Die beiden Autoren erläutern in unserer Kolumne "Trierisch balaawern" Besonderheiten der Trierer Mundart

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