...und Vater kam doch noch

Weihnachten 1944 war es bei uns im Dorf noch verhältnismäßig ruhig. Das Kriegsgeschehen war weiter weg, aber uns ängstigten die Bomber, die den ganzen Tag über uns hinweg flogen. Das Dröhnen der Motoren klang bedrohlich, ich habe das heute noch im Ohr. Es war ein sehr trauriges Fest.Nachdem meine Mutter 1941 gestorben war, und meine drei Brüder in Russland gefallen waren, lebte eine Tante bei uns.Meine ältere Schwester war 25 Jahre alt, ich war zwölfund meine jüngste Schwester war neun Jahre alt. Mein Vater, zu der Zeit 56 Jahre alt, war wehrdienstverpflichtet und von Wittlich nach Koblenz versetzt worden.Wir hatten schon länger nichts von ihm gehört, da keine Post mehr zugestellt wurde.Durch Soldaten, die Nachschub an die Front brachten, ließ Vater uns die Nachricht überbringen, dass er versuchen würde, an Weihnachten nach Hause zu kommen.Nun war es Heiligabend, und er war noch immer nicht da. Wir saßen traurig in der Küche, wir fühlten uns wie von Gott und der Welt verlassen. Die Fenster waren verdunkelt, auf dem Tisch standen zwei brennende Hindenburglämpchen.Am Nachmittag hatte ich mit meinem Cousin ein Weihnachtsbäumchen im Wald geholt. Nun stand es schön geschmückt mit Kugeln, Lametta und ein paar Kerzenstummelchen im Wohnzimmer.Geschenke gab es an diesem sechsten Kriegsweihnachtsfest auch nicht mehr. Meine große Schwester hatte seit längerem Lebensmittelkarten gespart, so dass sie uns eine bessere Mahlzeit zubereiten konnte als sonst.Nun saßen wir da, verängstigt und enttäuscht, dass Vater nicht gekommen war. Mein Tante fing an, laut den Rosenkranz zu beten für die gefallenen Brüder und unsere Mutter und für alle die in diesem verdammten Krieg sinnlos ihr Leben lassen mussten. Wir drei Schwestern beteten mit ihr. Plötzlich war ein leises Klopfen an der Tür, meine große Schwester öffnete und da stand Vater! Wir flogen ihm in die Arme, und er drückte uns an sich. Er hatte es doch noch geschafft, einen Militär-LKW zu finden, der Ersatzteile an die Front brachte. Es war nun, nachdem Vater heimgekommen war, doch noch Freude bei uns eingekehrt.Der Abend verlief friedlich, in der Stube brannte ein Feuer, und es war heimelig warm. Wir aßen und erzählten, später sangen wir die altvertrauten Weihnachtslieder. Wir schöpften neue Hoffnung, dass dieses schreckliche Geschehen der letzten Jahre bald ein Ende finden würde. Vater wurde ein paar Tage später wieder von dem LKW abgeholt und in eine ungewisse Zukunft mitgenommen.Elfriede Lex, geb. Gansen,Klüsserath,Herrenschneiderin,lebt heute in Klausen-Pohlbach

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