Theater Uraufführung in Trier: Gerechtigkeit, Macht und Ohnmacht

Trier · Das tiefgründige Theaterstück „Die Nacht geht auf“ von Klauspeter Bungert war in der Tufa erstmals zu sehen.

 Hans (Sebastian Gasper, rechts) quält Lockmann (Isaak Boateng), damit der seine Pläne als möglicher zukünftiger Minister preisgibt.

Hans (Sebastian Gasper, rechts) quält Lockmann (Isaak Boateng), damit der seine Pläne als möglicher zukünftiger Minister preisgibt.

Foto: Michael Thielen

Tufa, kleiner Saal. Beginn des Zweipersonenstücks „Die Nacht geht auf“ von Klauspeter Bungert. Rund 50 Zuschauer verfolgen in einer Videoeinspielung, wie eine grell geschminkte Person mit Wunden im Gesicht nachts am Straßenrand steht. Ein Autofahrer hält an, um zu helfen. Die Situation eskaliert: Der Fahrer wird mit einer Spritze attackiert und sackt zusammen.

Schnitt. Auf der Tufa-Bühne ist ein düsteres Kellerverlies aufgebaut: Im diesigen Licht einer Glühlampe erkennt man eine karg ausgestattete Bühne. Ein Gazevorhang als transparente vierte Wand zwischen Bühne und Publikum erzeugt zusammen mit der Beleuchtung der Szenerie eine trübe, undurchsichtige Atmosphäre, die sich in dem Stück in drei Szenen widerspiegelt.

Isoliert von der Außenwelt entwickelt sich eine Auseinandersetzung zwischen dem an einen Heizungskörper angeketteten Lockmann – das ist der gekidnappte Autofahrer – und dem verhinderten Lehrer Hans, seinem Entführer. Ein aggressiver, mit einer Pistole bewaffneter Hans verhört und quält Lockmann mit Fragen und Verhaltensweisen, deren Sinn und Ziel schwer zu begreifen sind. Sind sie privater Natur? Politisch? „Was ist Ihre Absicht? Sagen Sie, was Sie wollen?“ – „Sie rasen, wahllos, grenzenlos.“

Es scheint eine durchschaubare Situation zu sein: Hans wirkt wie ein durchgeknallter Psychopath, ein Terrorist. Dann presst Hans jedoch Lockmann Aussagen ab über seine radikalen zukünftigen Vorhaben als Sozialminister. Dazu gehört zum Beispiel die Einführung von Zwangsarbeit von Arbeitslosen.

Schließlich glaubt man, im blinden, gewalttätigen Wüten von Hans etwas Sinnvolles zu entdecken: „Ich will, dass Sie etwas unternehmen für eine gerechte Lösung der Probleme“, schreit er verzweifelt heraus. „Es muss etwas geschehen, etwas, das die Menschheit aus ihrem Tiefschlaf weckt.“ Lockmanns wiederholte Beteuerung, sich für die Durchsetzung von Hans’ Zielen als angehender Minister einzusetzen („Sie müssen auf die Kräfte der Demokratie vertrauen“), können Hans nicht überzeugen, zumal Versprechen in dieser Situation nichts zählen. Er hält Politiker ohnehin für verlogen und korrupt. Es wird in diesem dunklen Keller für niemand eine gute Lösung der Situation geben.

Isaak Boateng spielt überzeugend einen Politiker, der sich auf dem Weg nach oben zu befinden scheint und gezwungen wird, über sein Handeln, sein moralisches Fundament und seine Glaubhaftigkeit nachzudenken. Sebastian Gasper als Durchschnittsbürger Hans zeigt gelungen und nachdrücklich alle Facetten eines Menschen, der, verzweifelt, enttäuscht und voller Wut, wild um sich schlägt und sich zu blindem Aktionismus hinreißen lässt.

Das Publikum spendet reichlich Beifall und wirkt nachdenklich. Carola Heimann (49, Gusterath) findet die Komplexität der Gesellschaft gut dargestellt. Die Isolation des Menschen werde, auch durch das Bühnenbild, deutlich. Katharina Steger (24), aus Berlin ist beeindruckt von der Schauspielerleistung und der Darstellung der „intransparenten Machtverhältnisse“ unserer Gesellschaft. Sie ist sich aber letztendlich über die Motivation von Hans nicht im Klaren. Es bleibt dem Zuschauer des Theaterstücks überlassen, dem Ganzen seinen persönlichen Sinn zu geben.

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