Verborgenes Kleinod

Eine freundliche und gemütliche Stadt mit viel Natur und Geschichte: Die in der italienischen Provinz Marken gelegene Stadt Ascoli Piceno ist seit 1958 Partnerstadt von Trier. Ein Besuch lohnt sich.

Ascoli Piceno. Sonntagabend im Herbst in Ascoli Piceno: Die Glocken läuten, der Gottesdienst ist zu Ende. Die Einwohner strömen aus der Kirche auf die Piazza, wo ein Antik-Flohmarkt lockt. Kühle Luft zieht von den Bergen über den Platz, was die Menschen aber nicht davon abhält, mit Schal und dicker Jacke durch die engen Gassen der Stadt zu flanieren. Sie halten einen Plausch mit Nachbarn oder schauen sich die Stände des Flohmarkts an. Manche spazieren an den Schaufenstern der vielen Boutiquen vorbei, um die neueste Schuh-Mode zu sehen. Die historischen Gebäude werden mit Scheinwerfern angestrahlt, ihr Bild spiegelt sich auf dem speckigen Travertin-Stein, mit dem der Marktplatz gepflastert ist.

Den Ascolanern, wie die Einwohner von Ascoli Piceno sich nennen, ist eine angenehme Gelassenheit zu eigen. Es lebt sich eben entspannt in dem Abruzzen-Tal in der Region Marken. Die 50 000-Einwohner-Stadt, seit 1958 offizielle Partnerstadt Triers, liegt auf einer Höhe von rund 150 Metern. Der Fluss Tronto umfließt sie und sorgt für eine natürliche Barriere - ein wichtiger geostrategischer Faktor im Mittelalter. Die über 600 Jahre alten Stadtpaläste reicher Händler und Geschäftsleute schmiegen sich aneinander, um den kleinen, engen Gassen Platz zu machen.

Eigentlich hat die Partnerschaft der italienischen Stadt Ascoli Piceno mit Trier schon vor rund 1700 Jahren begonnen. Schließlich war der erste Bischof der italienischen Mittelstadt ein Trie rer: Bischof Emigdius (Emidio) wurde 273 n. Chr. an der Mosel geboren, bevor seine Kirchen-Karriere ihn in den Süden führte. Später kürten die Ascolaner den inzwischen heilig Gesprochenen sogar zu ihrem Stadtpatron.

Das Leben der Stadt spielt sich auf den Plätzen ab, die von alten Palästen mit weit ausladenden Arkadengängen umsäumt sind. Allen voran die Piazza del Popolo mit ihren Cafes und die Piazza Arringo mit ihrem wasserspeienden Brunnen - Trinkwasser, wie Stadtführerin Marina Ricci versichert, denn Ascoli liegt am Ende eines Bergmassivs, so dass immer für frisches Quellwasser gesorgt ist.

Die Lage Ascolis ist für Bewohner wie auch für Touristen attraktiv. "Wir können morgens Skifahren und am Nachmittag in der Adria baden", sagt Giovanni Cipollini, ehemaliger Direktor der Tourismuszentrale und Mitglied des Freundeskreises Ascoli-Trier. Freilich bedauert er, dass Ascoli noch nicht ausreichend touristisch erschlossen sei.

Ein Höhepunkt im Veranstaltungskalender der Ascolaner ist die "Quintana". Das Reitturnier von Ascoli, die "Giostra della Quintana", geht auf das Mittelalter zurück. Es findet jährlich am ersten Sonntag im August statt und folgt einem festen Ritual, bei dem Einwohner sich in historischen mittelalterlichen Gewändern präsentieren.

Funde aus römischer Zeit, dem Mittelalter, ja sogar aus vorrömischer Zeit, als die Ureinwohner, die Picener, dort siedelten, sind inzwischen anschaulich in Museen oder verglasten Ausgrabungsstätten zu sehen. Besonders stolz ist Cipollini auf den Fund eines langobardischen Kriegergrabes mit vielen Beigaben, Schwertern und Schmuckstücken. Zudem wurde im Jahr 1932 ein römisches Theater entdeckt. Im letzten Jahr wurde es für Aufführungen im Freien zugänglich gemacht. Giovanni Cipollini könnte sich durchaus eine Zusammenarbeit mit der Trierer Universität vorstellen, um diese Zeit weiter zu erforschen und Studierenden die Möglichkeit zu geben, vor Ort zu recherchieren.

Der Freizeitwert Ascolis kann sich sehen lassen. Die Küste im Osten, die Berge im Westen: Man kann sich spontan entscheiden, ob man im Meer schwimmen will oder stattdessen eine halbe Stunde in die andere Richtung fährt und eine Wanderung durch die gut erschlossenen Naturparks, den Nationalpark Monti Sibillini und den Nationalpark Gran Sasso e Monti della Laga machen möchte.

Eine Ursache des - im Gegensatz zu Trier - nicht so stark ausgeprägten Tourismus kann an der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt liegen. Denn in den späten 70er Jahren hatte die italienische Regierung ein Förderprogramm für den sogenannten Mezzogiorno gestartet. Ascoli lag am Nordzipfel dieses Investitionsprogramms, das den wirtschaftlich sehr schwachen italienischen Süden fördern sollte. Ascoli erhielt neue Gewerbegebiete. Neubauviertel mit Wohnblocks für Angestellte und Arbeiter ergänzten die Maßnahme, so dass es wirtschaftlich bergauf ging - offenbar bestand keine Not, auf Tourismus als Standortfaktor zu setzen. Auch heute steht die Stadt wirtschaftlich solide da, wie Bürgermeister Guido Castelli bestätigt. Mehr Besucher seien durchaus wünschenswert - und auf Besuch aus Trier freue man sich in Ascoli natürlich besonders.

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