Vermuten, wissen, glauben

TRIER-SÜD. "Wer vermutet, weiß mehr", sagt ein geflügeltes Wort in St. Matthias. Was viele seiner Mitbrüder ahnten, kam für Ignatius Maaß überraschend. Die Wahl des neuen Abtes fiel auf den 47-jährigen gebürtigen Saarländer. Vorgänger Ansgar Schmidt (60) konzentriert sich nach 24 Abt-Jahren auf eine neue Aufgabe an der Spitze der Kongregation, der das Trierer Benediktinerkloster angehört.

Wahlgeheimnis ist Wahlgeheimnis und das schon vor der Stimmabgabe. Wenn die Trier-Süder Benediktiner-Mönche alle acht Jahre ihren Klostervorsteher küren, geht es spannender zu als in der Politik. Und diskreter. Jeder aus der zurzeit 22-köpfigen Gemeinschaft kann schriftlich jeden seiner Mitbrüder als Kandidaten vorschlagen. Die Kandidaten erfahren nicht, wer sie benannt hat - und kein Außenstehender erfährt, wer zur Wahl gestanden, und wie viele Wahlgänge es gegeben hat. Da schweigen die Brüder eisern.In vier Kontinenten auf Achse

Wenn die Gemeinschaft aber schließlich mit (mindestens) Zweidrittelmehrheit einen aus ihrer Mitte auf den Schild gehoben hat, dann dringt das ganz schnell an die Öffentlichkeit. Als am vergangenen Dienstag gegen 16.15 Uhr sämtliche Glocken der Abteikirche läuteten, war klar: Es gibt einen neuen Abt. Diesmal einen tatsächlich neuen. Denn den bisherigen Amtsinhaber Ansgar Schmidt, der 1981 die Nachfolge von Athanasius Polag angetreten hat, bestätigten seine Mitbrüder 1989 und 1997 im Amt. Für eine vierte Amtszeit stand er nicht mehr zur Verfügung. Ein Ausdruck von Amtsmüdigkeit? "Nein, ganz und gar nicht", betont der 60-Jährige. "Aber wenn wir in positiver Weise in Bewegung bleiben wollen, dann ist es nicht unbedingt ratsam, dass ein und derselbe 32 Jahre lang das Amt des Abtes ausübt." Mit seinem Nachfolger ist Ansgar Schmidt "sehr zufrieden. Er hat die Fähigkeiten, das Magnetfeld wieder neu aufzubauen und nach innen und außen frische Impulse zu geben." Ob er ihn denn auch gewählt hat? "Wahlgeheimnis!", lächelt der frisch gebackene Ex-Chef, macht aber kein Hehl daraus, dass Ignatius Maaß "so rein gefühlsmäßig" als ein Favorit galt: "Wie das eben so ist in Mattheis: Wer vermutet, weiß mehr." Kein Geheimnis macht der neue Amtsinhaber aus seiner Überraschung. "Ich bin nicht in den Benediktinerorden eingetreten, um Abt zu werden, sondern Mönch. Nun aber freue ich mich, dass meine Mitbrüder mich geeignet halten für diesen verantwortungsvollen Posten. Ich betrachte ihn als Herausforderung, aber auch als Chance. In meiner neuen Funktion kann ich der Gemeinschaft etwas von dem zurückgeben, was ich empfangen habe." Auf Ignatius Maaß wartet eine Fülle von Aufgaben. Der Ober-Organisator des Lebens und Arbeitens im Kloster trifft viele Entscheidungen, die für das Leben einer im tiefen christlichen Glauben vereinten Gemeinschaft notwendig sind. Dabei geht der Blick weit über das Bistum Trier hinaus. 2004 fusionierte die Abtei St. Matthias mit dem Benediktiner-Priorat auf der Huysburg bei Halberstadt (Bistum Magdeburg): "Die Zusammenführung wollen wir weiter vorantreiben." Die Wahl des neuen Kloster-Chefs zieht weitere Personalia nach sich. Maaß kann seine bisherige Funktion als Pfarrer der 2003 gegründeten Großpfarrei St. Matthias nicht weiter ausüben. Bis zu seiner offiziellen Einführung als Abt am 22. Oktober - sinnigerweise dem Jahrestag der 1922er Wiederkehr der Mattheiser Mönche 120 Jahre nach der Vertreibung durch Napoleon - soll die Nachfolge intern neu geregelt sein. Die letzte Entscheidung trifft Bischof Marx. Einer, der als Pfarrseelsorger nicht in Frage kommt, ist Ansgar Schmidt. Der Ex-Abt konzentriert sich nun auf seine 2004 übernommene Aufgabe als Abtpräses (Leiter) der "Verkündigungskongregation", der das Mattheiser Kloster seit 1980 angehört. Mithin wird er in den kommenden Jahren viel auf Achse sein, da er regelmäßig die 31 Mitgliedsklöster in vier Kontinenten besucht. Seine 20-Quadratmeter-Zelle im St. Matthias bleibt sein Zuhause. Ganz nach der benediktinischen Regel: einmal Gemeinschaft, immer Gemeinschaft.

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