Vertrauen ist (fast) alles

In schwindelerregender Höhe balancieren oder eine Kletterwand erklimmen: Beim Tag der offenen Tür im Hochseilgarten haben viele Trierer das ausprobiert. Unser Mitarbeiter Benedikt Laubert war mit dabei und hat festgestellt, dass sich in zwölf Metern Höhe vieles anders anfühlt.

 Im Trierer Hochseilgarten sorgen Helfer dafür, dass keiner der Kletterer aus zwölf Metern Höhe abstürzt. Tv-Foto: Benedikt Laubert

Im Trierer Hochseilgarten sorgen Helfer dafür, dass keiner der Kletterer aus zwölf Metern Höhe abstürzt. Tv-Foto: Benedikt Laubert

Mein Leben hängt an einem fingerdicken Seil. Über mir die hölzerne Plattform, auf der ich eben noch stand - unter mir: lange nichts. Noch weiter unten steht Katja Bald, eine zierliche junge Frau mit hellblauem Helm, die das Seil, an dem ich hänge, vorsichtig durch ihre Hände gleiten lässt. Langsam schwebe ich nach unten, aber noch bin ich so hoch über Bald und ihren Kollegen, dass ich alle drei mühelos mit meinem Schuh verdecken kann.
Zwölf Meter sind es von hier oben bis zum Waldboden. Und immer noch stellt sich das Gefühl nicht ein, welches ich der Situation für angemessen gehalten habe: Immer noch spüre ich keine Angst. Ich vertraue Bald, dass sie weiß, was sie tut. Katja Bald ist einer von rund einem Dutzend Helfern, die am Tag der offenen Tür im Trierer Hochseilgarten dafür sorgen, dass niemand abstürzt.
Zwei Stunden vorher: Vom Boden aus sehe ich zwei Jungs zu, beide etwa sieben Jahre alt, wie sie dasselbe Seil bezwingen, auf dem ich später balancieren werde. Sie gehen jeweils von der ihnen gegenüberliegenden Plattform aufeinander zu. Ihre Hände an einem weiteren Seil, das als eine Art Geländer dient, setzen sie behutsam einen Schritt vor den nächsten - und balancieren langsam weiter.
Tief unter ihnen ein Mann und eine Frau, beide haben die Augen starr auf die Jungs gerichtet. Sie verlagert ihr Gewicht im Minutentakt von einem Bein aufs andere, redet immer wieder hastig auf den Mann ein und schreit schließlich nach oben: "Das ist kein Muss, du kannst immer noch umdrehen, da ist nichts Schlimmes dran!"
Doch keiner der Jungs reagiert. Behutsam, aber ohne zu zögern balancieren sie weiter aufeinander zu - gesichert nur durch zwei Helfer, die die beiden Seile halten, an denen sie festgemacht sind.
Während ich das Vertrauen der Jungs bewundere, muss ich an die Busfahrt hierher denken: Habe ich da nicht ebenfalls mein Leben in die Hand des Busfahrers gelegt?
"Vertrauen", hat mir Christian Jäger, einer der Leiter des Hochseilgartens, gesagt, "ist eines der wichtigsten Dinge, die man von hier mitnimmt." Jetzt verstehe ich, wovon er redet. Zusammen mit seinem Kollegen Volker Grünwald betreut er hier seit 2008 verschiedene Gruppen - von der Schulklasse über die Familie bis zum Vorstand. Immer mit dem Ziel, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Zu den Hochseilen, der Kletterwand und den Geräten am Boden ist heute ein Kinder-Parcours hinzugekommen, der für jüngere Gruppen geeignet ist. Träger des Projekts ist der Trierer Verein Palais.
Die Jungs auf dem Seil manövrieren derweil aneinander vorbei, geschickt halten sie sich, um nicht herunterzufallen. Als sie wieder auf den hölzernen Plattformen angekommen sind, ist mir klar: Jetzt bin ich dran.
Mit weichen Knien ziehe ich den Helm an; die Helfer befestigen das Seil an den Gurten, die um meine Schultern und Beine gespannt sind. Doch mit jeder Sprosse, die ich auf der Stahlleiter erklimme, schwindet das komische Gefühl im Bauch. Als ich in zwölf Metern Höhe angekommen bin, weiß ich: Das wird schon klappen. Und wenn nicht, ist jemand für mich da.
Benedikt Laubert
Extra

Der Waldseilgarten Trier ist ein erlebnispädagogisches Angebot des Palais e.V. Er liegt im Weisshauswald in den Gipfeln bis zu 30 Meter hoher Douglasien und wurde 2008 eröffnet. Das Besondere des Trierer Angebots ist laut Palais, dass die einzelnen Segmente nur durch gegenseitige Unterstützung und klare Kommunikation überwunden werden können. So würden die "Kletternden" zu "Sichernden" und umgekehrt. Dadurch trainierten sie ihre sozialen Fertigkeiten und lernten, Verantwortung zu übernehmen und mit eigenen Grenzen umzugehen. Gruppen können den Hochseilgarten halb-, ganz- oder mehrtägig reservieren. Ausgebildete Trainer des Palais übernehmen die Betreuung. red Weitere Infos: www.palais-ev.de

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